Rezension

Tranige Innenansicht einer berühmten Schriftstellerin

Mary -

Mary
von Anne Eekhout

Bewertet mit 3 Sternen

Mary Shelley, Schöpferin von Frankensteins Monster, ist im Sommer mit Freunden und ihrem Geliebten am Genfer See. Sie trinken, reden und lesen sich Gespenstergeschichten vor.

Der Roman "Mary" beruht auf Ausschnitten von Mary Shelleys Leben, welche Autorin Anne Eekhout zu einer seltsamen Geschichte verwoben hat. 

Meine Erwartungshaltung ging vermutlich in eine falsche Richtung. Ich dachte, dass sich das Buch mit dem Schreiben von "Frankenstein" oder zumindest umfassender mit dem Leben der Schriftstellerin Mary Shelley auseinandersetzt. Zudem ist das Buch unter anderem als Horror gelistet, weshalb ich mir zumindest etwas Schauerflair erwartet habe.

Autorin Anne Eekhout lädt ins Jahr 1816 ein. Mary ist frischgebackene Mutter und verbringt mit ihrem Geliebten Percy Shelley, ihrer Stiefschwester Claire sowie Lord Byron und John Polidori den Sommer am Genfer See. Die Freunde üben an ihren Schreibkünsten und lesen sich gegenseitig Geschichten vor. Lord Byron fordert alle heraus und schlägt vor, dass jeder von ihnen eine Gruselgeschichte schreiben soll.

In einem weiteren Erzählstrang kehrt Mary in ihre Mädchenjahre zurück und begegnet dem Leser in der Ich-Perspektive. Sie reist zu einer befreundeten Familie nach Schottland, wo sie aufgrund einer Erkrankung den Sommer verbringt. Rasch freundet sie sich mit Isabella, der Tochter des Hauses, an. Gemeinsam erleben die Mädchen Merkwürdiges.

Obwohl meine Vermutung eine andere war, geht es in diesem Buch gar nicht um Frankenstein, schauerliche Ideen oder Ereignisse. Ich hatte eher das Gefühl, in eine von Laudanum getränkte Vergangenheit versetzt zu werden, wo alles hinter einem psychedelischen Schleier hängt. 

"`Grusel kann nur zu Grauen werden', fuhr sie fort, 'wenn das, wovor man sich gruselt, wirklich ist, nicht wahr?'" (S. 109)

Meinem Eindruck nach waren Beziehungsthemen zentral. Häufig geht es um Eifersucht in vielen Facetten. Von freundschaftlichen Besitzdenken bis zu sexueller Gier und Ausgelassenheit ist einiges dabei. Freie Liebe bahnt sich ebenso ihren Weg, wie es biederes Verhalten der damaligen Zeit entsprechend macht.

Der Schreibstil von Anne Eekhout ist meisterlich. Ich glaube, nur aus diesem Grund bin ich dran geblieben, weil das Buch keinen roten Faden findet und dies nach gut der Hälfte ersichtlich ist. Besonders an der Zeit am Genfer See habe ich früh das Interesse verloren, weil es kaum Entwicklungen gab und Mary ständig Erinnerungen und Gefühlen nachhängt. 

Dem gesamten Roman haftet eine deprimierende Stimmung an, die sich tranig über die Seiten zieht. Die Atmosphäre wirkt düster und unheilvoll, ohne dass dieser Knoten jemals platzt. Schlussendlich bröckeln die Erzählstränge in ein loses Ende ab, was mir nicht gefallen hat. 

Ich finde es schade, dass ich das Buch nicht besser bewerten kann, weil es äußerst liebevoll geschrieben und gut recherchiert wirkt. Es ist eher eine Innenansicht auf die berühmte Schriftstellerin, die einst den berüchtigten „Frankenstein“ und sein Monster schuf. Wenn man das bedenkt und sich dafür interessiert, wird man durchaus eine interessante Lesezeit haben.