Rezension

Trauerarbeit

Auch das wird vergehen - Milena Busquets

Auch das wird vergehen
von Milena Busquets

Bewertet mit 3 Sternen

Blancas Mutter ist tot. Die 40jährige ist selbst erstaunt, wie sehr sie das trifft, sie versinkt in bodenloser Trauer.
Um etwas Abstand zu gewinnen, beschließt sie, ein paar Tage im Haus ihrer Mutter am Meer zu verbringen. Zusammen mit ihren zwei Söhnen, den beiden Ex-Männer und zwei Freundinnen nebst Anhang geht es auf von Barcelona nach Cadaqués. Wie es der Zufall so will, ist auch gerade der aktuelle Geliebte mit seiner Familie dort zur Sommerfrische. Es beginnen Tage voll Wärme, Licht, Stunden am Meer oder auf dem Boot, Gespräche, gemeinsames Essen.

Diese sommerwarme, etwas träge Stimmung wird von Milena Busquets wunderbar eingefangen. Die Atmosphäre von Cadaques, diesem zauberhaften Dorf am Mittelmeer, kann man direkt spüren. Auch die immer wieder hineinsickernde Trauer, die Erinnerungen an die Mutter und an die vielen vergangenen Sommer der Jugend werden von der Autorin überzeugend und in schöner Sprache eingefangen.

Wenn, ja wenn nur nicht die Protagonistin Blanca wäre. Jede Trauer ist natürlich anders. Es ist vermessen, zu urteilen, jemand würde zu sehr trauern, gar in Trauer versinken. Blancas Trauer ist aber absolut kindisch und voller Selbstmitleid ("Ich habe die Liebe meines Lebens verloren."), so wie die Protagonistin sich überhaupt standhaft weigert, erwachsen zu werden.
Das wird ihr dadurch erleichtert, dass sie sich anscheinend materiell keinerlei Sorgen zu machen braucht. Was sie beruflich macht, außer zu "schreiben", bleibt unklar.
Um ihre täglichen Belange kümmern sich andere, die Kinderfrau, lange Zeit die Männer.

Wie sich die Protagonistin überhaupt hauptsächlich über die Männer und ihre Wirkung auf sie definiert. Dabei bevorzugt sie eindeutig den gutaussehenden, kernigen, kurz den männlichen Mann. Man könnte gut auch Macho dazu sagen. Einer ihrer Ex-Männer hat die Losung "Sex hilft immer", und dieser Losung folgt Blanca bereitwillig. So ist auch ihr Aufenthalt in Cadaqués von diversen sexuellen Begegnungen geprägt. Alle mehr oder weniger leidenschaftlos, dienen sie vor allem dem Vergessen und dem Zeitvertreib, ebenso wie ausgiebiger Drogenkonsum. Kiffen, Wein, Sex, ab und zu mal ein gerührter Blick auf die Söhne, in denen man vor allem die künftigen attraktiven Männer zu erblicken glaubt, rein ins Seidenkleidchen, raus aus dem Seidenkleidchen, Flirten was das Zeug hält, anzügliche Gespräche mit den attraktiven Freundinnen und ordentlich die Nase rümpfen, wenn eine davon tatsächlich kochen will. Mein Gott! Kochen!
Darin erschöpft sich Blancas Vorstellung von Emanzipation, selbstbestimmtem, freien Leben und ihr Frauenbild. Geschlechtsgenossinnen, die eine etwas andere Vorstellung von einer verantwortungsvollen, erwachsenen Existenz haben, werden kurz als "Hasenherze" abgetan. Als ob in Drogen- und Alkoholkonsum und flüchtigen Sexabenteuern die große Freiheit liegen würde. Als ob die Protagonistin sich auch nur ansatzweise glücklich fühlen würde.

Das ganze ließe sich noch als interessante Studie über eine gewisse weibliche Gesellschaftsschicht (ein wenig katalanisches Sex and the city) lesen, wenn die Autorin auch nur ein wenig Distanz zu ihrer Protagonistin aufbauen würde, etwas Ironie, ein wenig Kritik, wenn sich in ihr auch nur der kleinste Abgrund auftun würde.
Bis zur Seite 138 musste ich warten, bis wenigstens eine ihrer Freundinnen sie mal ein wenig abwatscht. "Dich kümmern alle einen Scheiß. Außer deinen Kindern und vielleicht deiner Mutter. Und weißt du was? Ich bin es leid, dich zu therapieren." Wahr gesprochen.

Aber was resultiert daraus für das Buch? Nichts. Die Autorin legt ihrer Ich-Erzählerin lieber noch eins der üblichen Traktate gegen sogenannte Über-Mütter in den Mund, die "ihrem Nachwuchs die Brust geben, bis er fünf ist (...), Frauen, denen die Kinder die einzige Absicht und Sorge und Begründung im Leben sind, die ihre Kinder erziehen, als würden die später über ein Weltreich herrschen". Denkts und lehnt dann doch das angebotene Kokain ab, auf der coolen Party, in die sie zufällig geraten ist, während ihre Kinder, Männer, Freundinnen zuhause weiß der Kuckuck was tun, lehnt sogar den angebotenen One-Night-Stand mit ihrem alten Freund Nacho ab, so verantwortungsvoll ist Blanca. Wäre allerdings auch schon der dritte Mann an einem Tag.

Nun ja, das Buch war ein großer Erfolg in Spanien, wird es vielleicht auch hierzulande. Es passt in das Bild, das beliebte Frauenzeitschriften - für die Milena Busquets arbeitet, sie führt auch einen sogenannten Lifestyle-Blog - gerne von der modernen, emanzipierten Frau zeichnen.
Ständig um sich selbst kreisender Seelenstriptease ohne jegliche Selbsterkenntnis. Da lobe ich mir doch den guten alten Feminismus und mache in Zukunft lieber doch einen großen Bogen um Autorinnen, die in Frauenmagazinen veröffentlichen. Schade, denn schreiben kann Milena Busquets eigentlich.