Rezension

Trauerarbeit am Meer

Die Brandungswelle - Claudie Gallay

Die Brandungswelle
von Claudie Gallay

Bewertet mit 4 Sternen

Vielen Dank an Bi für die Leihgabe. Es ist ein schöner Roman, etwas eigenwillig, aber gut.

La Hague, eine raue Insel in der Normandie beherbergt raue Menschen. Die Heldin, allgemein von den Insulanern „La Griffue“ genannt, nach dem Haus, in dem sie Logis bekommen hat, ist Binnenländerin und Biologin und auf die Insel gekommen, um Vögel zu zählen, aber eigentlich, um letzte Trauerarbeit zu leisten und um allein zu sein, denn ihr Mann ist an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Sie ist namenlos und bleibt es bis zum Buchende. Sie beobachtet und mischt sich nicht ein, was ich übel nehme, denn einige Tierquälereien, die sie beobachtet, hätte sie mit Leichtigkeit unterbinden können, wenn sie nur gewollt hätte. Aber ihre Unbeteiligtheit ist ihr wichtiger als Mitgefühl. Oder der Autorin. Was sie will, weiss kein Mensch, auch die geneigte Leserin nicht. Lambert?

Denn plötzlich interessiert sie sich doch. Für die Menschen und für Lambert. Der auf die Insel gekommen ist, um sein Haus zu verkaufen und der den Verlust seiner auf dem Meer gebliebenen Familie beklagt. Allerdings schreibt er die Schuld dafür weniger dem Meer als dem alten Theo zu.

Die Autorin stellt dem Leser das Inselleben plastisch vor Augen sowie das Schicksal der vom Meer gezeichneten Fischer. Die typischen Seeszenen und Meerbilder sind hervorragend herausgearbeitet, die Inselbewohner mit vielen Details und mit Hintergrund versehen. Das ist großes Kino. Ein bisschen ein düsteres Kino. Klar. Es geht Wind, Sturm, Menschen bleiben im Meer. Die Insel ist karg. Die Bewohner sind knorrig und wunderbar. Die Sonne scheint nur kurz. Eigentlich wollen alle weg von hier.

Die Stilmittel sind von der Autorin an das karge Inselleben angepasst. Das ist gewollt und gekonnt. Kurze Hauptsätze. Keine Konjunktionen. Dennoch Stil und Atmosphäre! Man muss sich in das Spartanische, Abgehackte einlesen. Auf 500 Seite hin klingt mir der Verzicht auf jede Konjunktion allerdings dann doch etwas hart im Ohr.

Fazit: Ein stilistisch ansprechender Roman über eine raue Insel in der Normandie. Sehr atmosphärisch geschrieben.

Kategorie: Gute Unterhaltung
Verlag: btb, 2008, 3. Aufl.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 29. Juni 2017 um 09:37

Oh bitte, total gern, liebe Wanda! <3 Ich freue mich sehr, dass dich dieses besondere Buch auch in vielerlei Hinsicht so faszinieren konnte, wie mich^^

katzenminze kommentierte am 29. Juni 2017 um 11:09

Eine schöne Auffrischung meiner Erinnerung, Wanda! ^-^ Es ist schon etwas her, dass ich es las. Mir war es auf Dauer zu karg. Ich war jung... ;)

LySch kommentierte am 30. Juni 2017 um 08:34

Klingt nach einem tollen Buch :) Schöne Rezi, Wanda! Wobei mich "Das Gedächtnis der Insel" mehr anspricht irgendwie...

wandagreen kommentierte am 30. Juni 2017 um 08:50

Das Gedächtnis der Insel ist noch literarischer. Die Sprache richtig schön.