Rezension

Traumatische Erlebnisse, bedingungslose Liebe und ein Schäfer namens Josef

Opferkind - Astrid Dauster, Walter Meili

Opferkind
von Astrid Dauster Walter Meili

Bewertet mit 5 Sternen

Ich weiß, dass diese Weisheit mich leiten wird, nur über das zu schreiben, was notwendig und wichtig ist.

Hätte sich Astrid Dauster nicht an diese Vorgabe aus ihrem Vorwort gehalten und hätte alles aufgeschrieben und veröffentlicht, was sie erlebt hat, niemand könnte es ertragen. Auch so, "dosiert", ist es eigentlich schon nicht zu ertragen. Jeder muss selbst entscheiden, ob er stark genug ist, es mit dieser Lektüre aufzunehmen.

Mir fehlen gerade ein wenig die Worte, um eine wohlfeile Beschreibung des Inhalts zu formulieren, aber im Prinzip geht es hier um drei miteinander verschränkte Themengebiete:
Kindesmissbrauch - Satanismus - Nahtoderlebnisse. Also das volle Programm. Das Beschriebene ist sehr extrem. Trotzdem zweifle ich nicht an der Glaubwürdigkeit der Autorin. Als Co-Autor wirkte Walter Meili an der Veröffentlichung mit, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Es ist gut, dass er den Erzählfluss hin und wieder mit seinen kurzen fachlichen Hinweisen unterbricht. Zum einen gewinnt das Unglaubliche dadurch an Glaubwürdigkeit; zum anderen versinkt man nicht zu abgrundtief in den Schilderungen.

Astrid Dauster wurde als Kind immer wieder in unvorstellbarer Weise von ihrem psychopathischen Vater missbraucht, gequält und an Freier verkauft. Wenn die Taten nicht mehr verkraftbar waren, klinkte sich ihr Bewusstsein irgendwann aus dem Geschehen aus. In diesen Momenten fand sie sich in der Gegenwart eines Schafhirten wieder, den sie Josef taufte, weil dies der einzige Name war, der ihr einfiel, der für sie nicht mit einem grausamen Menschen verbunden war... Die Gespräche mit dem Hirten halfen ihr, zu überleben. Dann, nach dem Tod des Vaters, kam eine Zeit des Vergessens. Erst viele Jahre später sollte sie ihre verschütteten Erinnerungen wiederentdecken. Darüber, und wie es ihr gelang, mit Hilfe ihres Glaubens Stück für Stück die furchtbaren Erinnerungen aufzuarbeiten, schreibt sie in diesem Buch.

Es ist ein in jeder Hinsicht intensives Buch. Nebenbei erfahren wir auch die unschöne Nachricht, dass es in Deutschland eine hochgefährliche und zu unvorstellbaren Taten fähige Satanistenszene gab und offensichtlich immer noch gibt. Wir erfahren, dass es Menschen gibt, die in der Lage sind, ihre eigenen und fremde Kinder zu Tode zu quälen. Aber darüberhinaus lesen wir auch immer wieder von einer anderen Ebene der Wirklichkeit, in der Geborgenheit und Trost existiert, in der es einen bedingungslos liebenden Gott gibt, den krassen Gegenentwurf zu der von ihrem Vater verehrten dunklen Macht.

Ich hatte keine 'ungeheure Macht' gespürt, sondern nur Liebe und Güte. Ich hatte keine Dunkelheit gesehen, sondern nur Licht, wie ich es auf der Erde noch nie gesehen hatte.

Sehr vieles, aber nicht alles an diesen Hirten- und Engelgesprächen, die aus dieser anderen Daseinsebene stammen, ist für mich stimmig. Dass der allmächtige Gott, der Liebe ist (und daran glaube auch ich!) keine bessere Methode weiß, als dieses kleine Mädchen jahrelang solchen unvorstellbaren Qualen auszusetzen, kann ich nie und nimmer so akzeptieren. Aber vielleicht hört auch jeder die Botschaft genau so, wie er sie gerade hören muss, um damit einen Schritt weiter gehen zu können.

Auf jeden Fall finde ich, es ist ein sehr schönes Motiv, über diese Erfahrungen zu sprechen, um anderen die Angst vor dem Tod zu nehmen. Und wie schrecklich auch die ihr angetanen Verbrechen waren - Wut, Verbitterung oder Rachegedanken sucht man in diesem Buch vergebens.

Am Ende beschreibt sie vor allem Denkprozesse, die es ihr ermöglichen, die an sie gerichteten göttlichen Botschaften zu verstehen. Wenn diese Verstehensprozesse schon für Astrid Dauster, eine hochintelligente Frau, nicht einfach sind, sind sie das für manchen Leser erst recht nicht. Manchmal frage ich mich dann schon, ob es mit der Liebe Gottes nicht einfacher ist. Aber dann denke ich wieder, jeder geht seinen eigenen individuellen Weg des Verstehens, und ihrer war eben so.

Fünf Sterne für eine äußerst mutige Autorin und einen ebenso mutigen Verlag!

Gott ist unendlich, er ist die Seele aller Menschen und jeder Mensch ist ein Teil von ihm und in jeder Seele jedes Menschen ist ein Teil von Gott. [...] für jeden nimmt er die Gestalt an, die dieser Mensch ihm gibt. Für dich ist er Josef, der Schäfer." - "Und wie sieht er für dich aus?" - "Ich habe ihm keine Gestalt gegeben, denn er hat keine Gestalt. ER IST. Liebe, Licht, Güte in unendlicher Fülle, allmächtig und allgegenwärtig, allwissend und allweise, immer und überall. [...]

Kommentare

hobble kommentierte am 19. März 2020 um 07:02

was fürs wunschregal

wandagreen kommentierte am 19. März 2020 um 09:06

Bei mir ganz sicher nicht. Arbutili, - lies mal was Heiteres in diesen Zeiten!!

Arbutus kommentierte am 20. März 2020 um 00:20

Ja, Du hast Recht, Wandalein. Ich hatte der Arwen versprochen, mit in die Leserunde zu gehen, sonst hätte ich es vielleicht auch gar nicht durchgehalten. 

wandagreen kommentierte am 20. März 2020 um 09:07

Ach?! Ihretwegen hab ich jetzt auch ein Buch abbekommen, das ich sonst vllt nicht lesen würde. ich sollte mal allmählich anfangen.

Arbutus kommentierte am 01. April 2020 um 20:25

Wie schön, dass Du da was Gutes tust ; )