Rezension

Traumzeit

Das flüssige Land - Raphaela Edelbauer

Das flüssige Land
von Raphaela Edelbauer

Bewertet mit 3 Sternen

Eine medikamentenabhängige Habilitandin der theoretischen Physik verliert beide Eltern bei einem Autounfall. Sie macht sich auf die Suche nach deren Heimatdorf „Groß-Einland“, wo sie beerdigt werden wollten. Das gestaltet sich von Beginn an schwierig; der Ort ist nirgends verzeichnet, keiner kann ihr Auskunft geben. Dennoch macht sie sich auf den Weg und findet das mysteriöse Dorf schließlich.

In Groß-Einland angekommen, geht es mit den Merkwürdigkeiten erst richtig los. Alle scheinen etwas zu verschweigen, der ganze Ort wird von einer Gräfin beherrscht, deren Spezialität das Vertuschen ist. Gleichzeitig bedroht eine Katastrophe den Ort: Durch den früheren Bergbau ist der ganze Untergrund marode. Ein stetig wachsendes Loch droht Groß-Einland zu verschlingen, was aber ebenso beschönigt und verschleiert wird wie die Geschichte des Ortes im Nationalsozialismus.

Die Protagonistin Ruth versucht, die Geheimnisse dieses Ortes, die Vergangenheit der Gräfin und das Rätsel des Lochs zu ergründen, um gleichzeitig die Geschichte und den Tod ihrer Eltern zu verstehen. Das ist vor allem deshalb schwierig, weil in Groß-Einland das übliche Zeitgefühl nicht vorhanden zu sein scheint. Ruth lässt sich treiben, zieht kaum je einen gefassten Plan wirklich durch, arbeitet für die Gräfin und begegnet allerlei logischen Widersprüchen.

Das Buch steht auf der Shortlist des deutschen Buchpreises, schon von daher sollte man keine allzu leichte Lektüre erwarten. Der Sprachstil ist auf jeden Fall anspruchsvoll, der Satzbau sehr verschachtelt, es finden sich viele Fremdwörter und auch österreichische Begriffe. Außerdem finden sich immer wieder eingeschobene Abschnitte, in denen es entweder um Historisches zu Groß-Einland geht, oder aber um physikalische Theorien, die mit Ruths Habilitation zur Physik der Zeit zusammenhängen. Dennoch schafft es die Autorin zunächst, den Leser in den Bann zu ziehen - zumindest mich hat sie in der ersten Hälfte des Buchs sehr neugierig gemacht. Irgendwann gerät das Ganze dann aber immer mehr zu einer Anhäufung von Kuriositäten. Die Menschen benehmen sich durchweg seltsam, bis auf Ruth sind alle Figuren eher Karikaturen als Personen, weshalb man nicht wirklich mit ihnen mitfiebert. Es wird nie klar, was Realität ist, was Traum, was Wahn oder Legende. Es tauchen immer mehr Rätsel auf, von denen keines je gelöst wird. Auf Dauer wirkt das ermüdend und letztlich auch etwas unbefriedigend. Ein Buch muss nicht zwingend alle aufgeworfenen Fragen klären - aber das hier lässt mich einfach ratlos zurück. Der Interpretationsspielraum ist so groß, dass mir das letztlich alles oder nichts sagen könnte - und das finde ich dann nicht mehr interessant.