Rezension

Traurig und schön

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall - Domenico Dara

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
von Domenico Dara

~~Der Postbote von Girifalco - Domenico Dara

Kalabrien, in den 70er Jahren. Unser Postbote, wenigstens einen Vornamen erfahren wir erst auf der allerletzten Seite, besitzt eine besondere Gabe. Er kann Handschriften perfekt imitieren. Er lebt sehr zurückgezogen und hat damit einen Weg aus der Einsamkeit gefunden. Anfangs öffnet und liest er die Briefe, die er zustellt. Bald schreibt er viele davon ab und archiviert sie. Schließlich greift er ab und an auch ins Geschehen ein und spielt Schicksal. Wobei er es immer nur gut meint.

Besonders beeindruckend ist die Stimmung des Romans. Innerhalb kürzester Zeit fühlt man sich zurückversetzt in ein Italien vor fünfzig Jahren, mit Wäscheleinen auf Balkonen und vielen interessanten, oft schrulligen Charakteren. Das Cover ist toll!
Gerade am Anfang fällt aber der Einstieg aufgrund der vielen italienischen Namen und des etwas sprunghaften Erzählstils nicht leicht.
Die einzelnen Geschichten der Dorfbewohner lassen zuerst kaum Verbindungen erkennen. Vielmehr scheint sich alles nur um den augenscheinlich doch recht passiven Postboten im Mittelpunkt  zu drehen. Tatsächlich hat dieser kaum ein eigenes Privatleben, vielmehr versucht er heimlich an den Leben der Anderen teilzunehmen. Er nimmt eindeutig eine Beobachterrolle ein.
Zufall spielt ebenso, wie es der Titel bereits erkennen lässt, eine wichtige Rolle. Der Postbote ist ein sehr nachdenklicher Typ, der viel Zeit hat und über alles Mögliche Listen führt. So auch über diverse Zufälle, die ihm begegnen, bzw. die er miteinander in Verbindung bringt.

Es dominiert eine tief melancholische, wehmütige Grundstimmung. Im Hintergrund lauern nämlich die Schatten zweierlei tieftrauriger Liebesgeschichten. Atmosphäre sehr gut getroffen, poetisch, tiefsinnig und literarisch großartig. All das hat mir sehr gut gefallen.

Dennoch habe ich auch Kritikpunkte. So habe ich wirklich sehr lange gebraucht, bis ich mich mit dem umfangreichen Personal einigermaßen zurechtgefunden habe (das Personenverzeichnis am Buchende ist mir erst nach der Lektüre aufgefallen).
Der sehr ruhige Plot beinhaltet doch etliche Längen.

Eine hervorragende Idee, interessant umgesetzt, jedoch fehlt dem Ganzen der Pep.