Rezension

Traurig und schön zugleich

Das Lied der Störche - Ulrike Renk

Das Lied der Störche
von Ulrike Renk

Das "Lied der Störche" von Ulrike Renk ist der erste Teil einer neuen dreiteiligen Familiensaga. Sie spielt in Ostpreußen, beginnt Anfang 1920 und beruht teilweise auf wahren Begebenheiten. Die elfjährige Frederike zieht mit ihrer Mutter und ihren beiden Halbgeschwistern zum neuen Stiefvater auf dessen Gutshof in die ostpreußische Provinz. Dort erlebt sie eine relativ unbeschwerte Kindheit in einer beschaulichen Umgebung. Durch den Tod des Vaters hat sie ihr Anrecht auf ein Erbe verloren und soll nach Abschluß ihrer Ausbildung baldmöglichst gut verheiratet werden. Erste Bewerber sind auch schon da und umgarnen sie. Unter ihnen ist der ältere Ax von Stieglitz, den sie schon als Kind faszinierend fand und den ein dunkles Geheimnis umgibt.

Ulrike Renk schreibt Bücher, die Suchtpotential entwickeln. Auch hier ist es ihr wieder gelungen, mich vollkommen zu fesseln. Ich wollte immer nur weiter lesen und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Der wundervolle Schreibstil lies mich komplett in der Geschichte versinken, die 500 Seiten verflogen wie im Nu, nur der Cliffhanger am Ende ist fast ein wenig gemein. So bleibt nur die Hoffnung, dass Band Nummer Zwei möglichst bald auf dem Markt kommt. Die Autorin hat die wunderbare Atmosphäre der ostpreußischen Landschaft eingefangen und perfekt wiedergegeben. Sie erzählt vom Leben und Arbeiten auf dem Gut, man fühlt sich als Leser, als wäre man mitten drin. Jedes Detail passt und spiegelt die damalige Zeit ungekünstelt wieder. Sie zeigt die strengen gesellschaftlichen Konventionen, die damals extrem ernst genommen wurden und die das Leben, vor allem das der Frauen, stark beeinträchtigten. Obwohl Freddy in einer relativ heilen Welt aufwächst, wird sie oft mit der harten Wirklichkeit konfrontiert. Dies macht sie zu einer starken jungen Frau, die ihren eigenen Kopf hat. Die einzelnen Charaktere, einschließlich der Nebencharaktere, wurden, wie gewohnt, von der Autorin hervorragend ausgearbeitet und sind sehr realistisch dargestellt. Die vielen kleinen und liebevollen Details, sei es das Treiben in der Küche, das Beschäftigen mit den Tieren, machen aus dem Buch ein lebendiges, facettenreiches Gesamtkunstwerk, das nur eine Ulrike Renk schaffen kann. Ich verneige mich vor ihrem Können und hoffe, dass ich noch viel von dieser wunderbaren Schriftstellerin lesen darf.