Rezension

Traurig, zynisch & nachdenklich stimmend ...

Otto - Dana von Suffrin

Otto
von Dana von Suffrin

Bewertet mit 4 Sternen

Timna und Babi eilen ins Krankenhaus, denn ihr Vater liegt dort und ruft nach seinen Töchtern. Er schreit ständig nach seinen Kindern und lässt sich nicht abwimmeln und trotz, dass die Kinder immer parieren, lässt er nichts Gutes hören. Otto ist alt und wird zum Pflegefall, vom Krankenhaus kommt er nach Hause und wird für seine Lieben ein hartes Los. Er macht es keinem leicht und hält alle im Atem, weil er einfach ein starrköpfiger, sturer, aufbrausender, manipulativer jüdischer Familienpatriarch ist. Aber ist er wirklich ein böser alter Mann? Wie gehen die Töchter mit so einen Vater um? Und was macht das Alter mit einem?

Otto ist eine Familiengeschichte, die mich persönlich allein vom Klappentext nicht kalt gelassen hat. Auch mein Vater, hatte nach einer schweren Krankheit solche Anfälle von „ihr müsst euch kümmern“, „dafür seid ihr meine Kinder“, „das ist Familie“ und man selber schluckt und denkt sich seinen Teil, immer ruhig bleiben, bloß nicht aufregen. Das geht vielleicht eine Weile gut, aber auf Dauer! Das wollte ich von diesen Schwestern wissen, gibt es noch schlimmer Exemplar von Vätern und wie hält man durch. Also musste ich es einfach lesen und hier kommt meine Meinung.

Otto ist unausstehlich, auf den ersten Blick möchte man nichts mit ihm zu tun haben und doch, nimmt man sich der Geschichte um ihn immer mehr an. Denn dieser Mann hat auch seine Geschichte und diese wird Stück für Stück frei gelegt. So wird aus dem Tyrann ein Mensch, der zwar im alter schwer zu ertragen ist und doch ein Herz hat und es gut meint. Seine Art seinen Töchtern gegenüber ist trotzdem schwer zu ertragen und so schwankt man auch mit ihnen zusammen zwischen Hass und Liebe.

Die beiden Schwestern stecken in den Klauen der Pflicht fest und es ist auch schwierig, da eine Grenze zu ziehen. Man bekommt als Kind schon immer die Werte vermittelt, sich um die Eltern im Alter zu kümmern, und somit ist man einfach in einer emotionalen Zwickmühle. Man schlägt sich mit Ärger, Wut und Unverständnis rum und stellt das eigene Leben hinten an. Ich konnte sie zum einen gut verstehen, aber das sie so gar nichts aus ihren eigenen Leben machten, fand ich auch extrem schade, aber vielleicht fehlt ihnen auch einfach die Kraft dazu. Allerdings bei dem Elternhaus auch nicht ungewöhnlich.

Dana von Suffrin lässt nicht nur das Thema Seniorenalter in ihren Roman einfliessen, sondern auch Ottos Lebensgeschichte als Jude aus Siebenbürgen. Seine Kultur, sein Spießbürgertum, seine Geizigkeit, aber auch seinen Weg, ein gebildeter Mann, der sich von seiner Familie trennt und auszieht, um sein Leben zu führen, im fremden Deutschland. Was in der jüdischen Geschichte nicht unbedingt gut abschneidet, es ja gar nicht kann. Es erzählt von seinen Höhen und Tiefen, wie er versucht, seinen Töchtern was zu bieten und um sie vernünftig zu erziehen. Aber auch von seinem Scheitern.

Ich bin ein bisschen hin und her gerissen von diesem Buch. Die Lebensgeschichte von dieser wirklich merkwürdigen Familie, aber vor allem von Otto, fand ich recht unterhaltsam. Auch das man hinter die Fassade gucken konnte und so statt einem Tyrannen einen gut meinenden Vater entdecken konnte. Trotzdem fand ich die Lösung der Schwestern eher traurig, beide finden ihren Mittelpunkt im Leben nicht, sind ihrem Vater hörig und können ihr Leben nicht selbst führen. So stecken sie einfach fest und ergeben sich eher ihrem Schicksal, als brave Töchter. Somit kommt, aber auch die Spannungen von Kinderpflicht rüber, sich immer kümmern, aber heißt das auch gleichzeitig Selbstaufgabe?

Otto ist auf jeden Fall ein Buch mit dem Ansatz zum Nachdenken. Es ist unglaublich traurig, aber auch mit einer großen Portion Komik drin, obwohl schon eher böser Sarkasmus. Eigentlich eine Farbskala der Liebe, nicht einfach, aber hier und da immer auf Messerschneide. Der Drahtseilakt diese trotz der Umstände immer wieder zu finden und zu offenbaren, das ist das große Kunststück. Mir hat diese ungewöhnliche Geschichte gefallen.