Rezension

Trifft ins Schwarze

Kurt - Sarah Kuttner

Kurt
von Sarah Kuttner

Bewertet mit 4 Sternen

"Ich erkläre Sie hiermit als gemeinsame Überlebenswillige, trotz Kredit und fehlender Bordsteinkante."
Lena liebt Kurt. Kurt gibt es aber nur mit dem kleinen Kurt, seinem Sohn. Lena kämpft für einen Platz in der Patchworkfamilie und durch das gemeinsame Haus, in Kurti's nähe, soll das endlich Hand und Fuss kriegen, zumindest Halbzeits. Doch was tun, wenn der kleine Kurt stirbt und der grosse Kurt immer mehr verschwindet? 
Wie verkraftet man den Tod eines Kindes? 
Meine Meinung: 
"Ich liebe Kurt sehr. Daran gibt es keinen Zweifel. Kurt ist vieles, was ich mir wünsche und brauche, ein paar Dinge, die ich mir nicht wünsche, aber brauche, und nur ganz wenig von dem, was ich mir weder wünsche noch brauche."
Mit grosser Vorfreude habe ich den neuen Sarah Kuttner erwartet. Bisher hat sie noch jedesmal meinen Nerv getroffen. Zugegeben, ich muss in der Stimmung sein. Aber auch hier hat die Stimmung gestimmt. Eine Jungdreißigerin die versucht ihren Platz an der Seite eines Vaters zu finden. Kuttners Ehrlichlichkeit ist hier abermals sehr erfrischend. Ich selbst befinde mich nicht in der Situation, ein fremdes Kind teilzeit als Mitbewohner zu haben, aber viele Fragen die Lena sich stellte, fand ich so gerechtfertigt. Liebe Stiefmütter, wie ist das so? 
Besteht das Buch zu Beginn hauptsächlich aus Lenas Dilemmas die Regeln der Kinderziehung und des Zusammenlebens zu kennen, schwangt die Achse auf Trauer über, nachdem der kleine Kurt stirbt. Wie lebt sich Trauer aus, und darf Lena so trauern wie die Eltern, obwohl sie das Kind nur 50% der Zeit hatte? 
Noch überfordert von der Situation davor, der Angst vor Grenzüberschreitung in der Erziehung, befindet sich Lena nun in der Situation des Stillstandes ihrer Beziehung. Der grosse Kurt will sie abschirmen und es versteht eh nur die Mutter des Kindes seinen Schmerz. Lena steht ausser vor.
Das Buch besteht aus verschiedenen Episoden, die meisten chronologisch. Abgestückelt wirkte es aber nie. 
Lena war mir teilweise zu verständnisvoll, zu unbewegt. Ein persönlicher Unterschied in unseren Charakteren. Im Laufe der zweiten Hälfte wird alles sauber aufgearbeitet und das Ende lässt den Leser zufrieden zurückschauen. Mit ein paar Tränchen in den Augen.
Dies kann als Kritikpunkt angesehen werden: Es war mir ein bisschen zu Sauber. Zu Glatt. Zu Verständnisvoll. Immerhin geht es um eine Ausnahmesituation. 
Ob und wie Lena und Kurt das gedeichselt kriegen, darf jeder am 15. März selber herausfinden. 

"Ich will ihm nicht sagen, dass irgendetwas weitergeht. Obwohl es das natürlich tut. Wir zahlen Rechnungen, seit Kurt nicht mehr da ist. Wir kochen, wir schlafen, wir arbeiten, wir leben einfach. Weil im Grunde natürlich allesallesalles weitergeht. Die Welt bleibt nicht für eine beschissene Sekunde stehen. Sie zögert nicht einmal."