Rezension

Tristan und Isolde 2.0! Ein ganz besonderes Buch!

We Will Fall - Shannon Dunlap

We Will Fall
von Shannon Dunlap

Ein tolles Buch über die Schwierigkeiten einer jungen Liebe aus verschiedenen sozialen Verhältnissen.

Izzy zieht mit ihrer Familie von Manhattan nach Brooklyn. Als privilegiertes Kind trifft sie eines Tages auf Tristan, der im gleichen Wohnviertel bei seiner Tante lebt. Ein Blick genügt und die beiden wissen, dass ihre Begegnung schicksalshaft ist. Als sie sich einander annähern wollen, haben sie jedoch die Rechnung ohne Tristans Cousin Marcus gemacht. Der ist nämlich der King im Block und hat ein Auge auf Izzy geworfen. Um den Fängen von Marcus zu entfliehen, tauscht Izzy kurzzeitig die Identität mit ihrer Freundin Brianna, was schwerwiegende Folgen nach sich zieht.

 

„Tristan und Isolde“ 2.0! Neuauflagen mag ich sehr, denn meistens lassen diese sich leichter lesen als das Original. So auch hier. Nachdem ich mich schnell an den Schreibstil der Autorin gewöhnt hatte, konnte ich umgehend die Atmosphäre der Lebenssituationen einzelner Figuren spüren. Gefangen in der Perspektivlosigkeit einer sozialen Schicht und entwurzelt vom sicheren Zuhause, lernen sich die ungleichen Teenager kennen und sind von ihren intensiven Gefühlen füreinander selbst überrascht. Ich habe diese Szenen als sehr niveauvoll empfunden.

Die Liebesgeschichte zwischen Tristan und Izzy ist Dreh- und Angelpunkt, alles andere verblasst mehr oder weniger zu Nebensächlichkeiten. Was keinesfalls stört!

Die Handlung wirkt reduziert, lenkt damit den Fokus auf die Schwierigkeiten, die eine junge Liebe aus verschiedenen sozialen Verhältnissen (er)tragen muss. Und da ist die Sage von Tristan und Isolde plötzlich wieder hochaktuell: Bestehende Vorurteile, ungleiche Machtverhältnisse, Loyalität und Entscheidungsfreiheit sind nur einige der im Buch angesprochenen Themen. Aus Angst getroffene Entscheidungen treiben die Handlung voran, bis zu dem Punkt, an dem in beiden die Ahnung reift, dass diese Beziehung im Außen schwer zu leben ist.

 

Shannon Dunlap hat mich mit ihrer Geschichte erreicht. Obwohl ich behaupten würde, dass sich bei mir bis kurz vor Schluss keine großartigen Gefühlsregungen gezeigt haben, hat mich das Buch doch nicht losgelassen. Wie ein Sog, der mich von Kapitel zu Kapitel gezogen und eine seltsame Leere, eine Ohnmacht hinterlassen hat. Auf einer tieferen Ebene schwang beim Lesen immer etwas Melancholie mit. Die Autorin hat es damit geschafft, die sich anbahnende Tragödie unbewusst anzukündigen. Einen tollen Kniff bekam die Story zusätzlich durch Verweise auf das Schachspiel als Metapher für das Spiel des Lebens. Die Charaktere werden zu Figuren, deren strategische Züge die weitere Handlung bestimmen. Damit wurde jedem ein Platz in diesem „Spiel“ zugewiesen, was indirekt die Machtverhältnisse erklärt. Spannend fand ich auch die unterschwellige Dynamik aus Gegensätzen, die sich durch das ganz Buch ziehen. Es wird nicht explizit darauf hingewiesen, sie sind aber vorhanden und wirken mit, z.B. Schwarz und Weiß, Macht und Ohnmacht, Arm und Reich, usw.

 

Dies ist für mich nicht nur ein Jugendbuch. Es geht jeden an. Im Kern eine Liebesgeschichte, begleitet von Entscheidungen, Veränderungen, Vorurteilen, Vergebung und Selbstreflexion. Ich kann es jedem nur empfehlen!