Rezension

Trostloser Sommer zur Nachwendezeit

Verlassene Nester -

Verlassene Nester
von Patricia Hempel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Sommer 1992 lebt die dreizehnjährige Philly in einem Wohnkomplex im ehemaligen Elb-Grenzgebiet. In dieser trostlosen Gegend, zwischen stillgelegtem Betonwerk und Kaserne, sucht Philly nach nach Halt und Zugehörigkeit.

Ihr Tanten Eli und Katharina fangen, räuchern und verkaufen Fisch aus der nahegelegen Elbe, deren Wasser eigentlich viel zu schmutzig ist. Der Vater flieht in die Gaststätte, um den verlorenen Job und der verschwunden Ehefrau nachzutrauen. Die Mutter ist schon länger weg, abgehauen in den Westen. Die Wessi kommen, kaufen Land und wollen alles verändern. Die Schrebergärten sind enteignet. Nur Frau Klinge hat gibt dem Mädchen etwas halt, kümmert sich um sie und ihre Schulbildung.

Philly sucht den Kontakt zu Katja und Bine, zwei Mädchen, die den Spielplatz beherrschen. Sie muß Demütigungen ertragen und findet einen Platz bei ihnen. Hier lernt sie Freundschaft, Eifersucht, Neid  Sexualität und Verrat kennen.

Patricia Hempel zeigt die Trostlosigkeit der Menschen im Osten auf, die nicht nur ihre Jobs, sondern auch ihre Werte verloren haben.  Dem Lesenden wird aufgezeigt, wie hoffnungslos und traurig die Existenzen von der Wende überrollt wurden. Gewohnheiten, Denken und Werte der Menschen konnte mit dem rasanten Wechsel nicht mithalten.

Die Charaktere des Romans sind sehr gelungen und authentisch. Ich konnte mir die Protagonisten im Plattenbau sehr gut vorstellen, alles wirkt stimmig und lebensnah.

"Verlassene Nester" ist keine leichte Lektüre. Dieses Buch fordert den Leser und weckt Gefühle. Mich, der in der Wendezeit nur wenig älter war als Philly im Roman, hat das Buch absolut abgeholt. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung.