Rezension

Trotz etlicher Längen besser als Twilight

Seelen - Stephenie Meyer

Seelen
von Stephenie Meyer

Bewertet mit 4 Sternen

Was ist, wenn du nicht mehr der Herr über deinen eigenen Körper bist? Wenn du hilflos mit ansehen musst, wie die Menschen, die du liebst, durch dich in Gefahr geraten?
Und das obwohl du alles unternimmst, um es zu verhindern.

 

Die Erde in der Zukunft: Außerirdische, sogenannte Seelen, haben die Kontrolle über einen Großteil der Menschheit übernommen. Eingenistet wie Parasiten versuchen sie, die gesamte Weltbevölkerung zu besetzen, um ihre Vorstellung von einem harmonischen Zusammenleben zu verwirklichen.
Nur wenigen ist es bisher gelungen, ihnen zu entkommen. Darunter auch Melanie, ihr Bruder Jamie und ihr Geliebter Jared. Doch dann gerät Melanie in Gefangenschaft und wird Wanderers Wirt. Verzweifelt leistet sie Widerstand und will nur eines: Verhindern, dass Wanderer von denen, die ihr am Herzen liegen, erfährt. Aber das fremde Wesen aus einer anderen Welt wird sehr schnell von den Gefühlen ihres Körpers in den Bann gezogen und will bald nur noch eines: Jamie und Jared beschützen.

 

 

Nachdem ich den Trailer zum gleichnamigen Film gesehen hatte, musste ich Seelen unbedingt haben. Im Vorfeld bin ich schon gewarnt worden, dass das Buch streckenweise ziemlich schwer zu ertragen sei und die Tatsache, dass ich fast mehrere Monate gebraucht habe, um es zu beenden, spricht da eigentlich für sich. Dennoch war es gar nicht so schlimm.
Zum einen lag das daran, dass die Autorin es trotz anfänglicher Schwierigkeiten toll geschafft hat, zwei so unterschiedliche Charaktere in einem Körper unterzubringen wie Melanie und Wanderer. Die eine ist kämpferisch, durchaus gewaltbereit, wenn es um ihre Lieben und Freunde geht und immer wieder sarkastisch und gleichzeitig sehr impulsiv. Die andere besticht eher durch ihre Konfliktscheu, möchte niemanden verletzen oder sogar töten. Beide entwickeln sich in der Geschichte weiter und lernen vor allem, einander zu respektieren und zu vertrauen. Das Spannende daran ist, dass beide nur mit ihrer Stimme miteinander agieren können. Leider kommt Melanie dabei manchmal etwas zu kurz, aber ihre übrigen Auftritte machen dies schnell wieder wett!
Die übrigen Protagonisten haben mir ebenfalls gut gefallen, allen voran die vielschichtigsten von ihnen: Jared, Jed und Ian. Sie sind nicht eindimensional gut, sondern zeigen auch deutlich ihre Fehler und Schwächen, die sie zudem nicht einfach so überwinden können.

 

Der Schreibstil sorgt dafür, dass sich der Roman sehr flüssig lesen lässt. Dennoch kann er einem nur schwer über die Längen hinweghelfen, die man anfangs überwinden muss. Gerade weil man mitten in das Geschehen hineingeworfen wird, stört das langsame Vorsichhinplätschern des Einstiegs erheblich. Allerdings nimmt die Story nach den ersten hundertfünfzig Seiten an Fahrt auf und die Spannung erhöht sich allmählich, sodass man nun unbedingt noch das Kapitel beenden muss. Dabei muss jedoch gesagt werden, dass weniger die Action das Interessanteste und Mitreißende an der Handlung ist. Darauf sollte man nicht hoffen, denn diese Szenen verlaufen verhältnismäßig glimpflich ab. Vielmehr ist Wanderers Entwicklung von einer ihrem Volk treu ergebenen Seele zu einem menschlichen Wesen der Hauptantriebspunkt. Klar geschieht das nicht ohne eine Prise Kitsch und sehr viel Naivität der Außerirdischen, die sie leicht zur Zielscheibe macht. Trotzdem ist es wirklich aufschlussreich so eindringlich mitzuerleben, wie ein Feind nach und nach zu einem Verbündeten wird, ohne das Ganze unrealistisch zu überstürzen.

 

 

Stephenie Meyer ist mit Seelen ein toller Roman gelungen, der mich weitaus mehr überzeugt hat als ihre Twilight-Reihe. Gelungene, vielschichtige Charaktere, deren Entwicklung besonders spannend zu verfolgen ist, sprechen definitiv für das Buch.
Allerdings sollte man gleichzeitig bereit sein, die zahlreichen Längen in Kauf zu nehmen, die vor allem am Anfang die Handlung sehr dahinplätschern lassen. Doch nach etwa hundertfünfzig Seiten wird man für seine Geduld belohnt und sollte am besten solange durchhalten, um der Geschichte eine Chance zu geben.
Wer gerne Dystopien liest, die weniger durch Action als eher mit interessanten Figuren beeindrucken, der sollte sich nicht nur den Film ansehen, sondern sich auch die Vorlage holen!