Rezension

Trotzkopf auf Abenteuerreise

VAMPIRE'S KISS - Gebieter der Dunkelheit - Sandra Henke

VAMPIRE'S KISS - Gebieter der Dunkelheit
von Sandra Henke

Bewertet mit 3 Sternen

"Grausamer Graf Aroq,
gnadenloser Graf Aroq,"

Es war einmal…
Eine kleine Key, die ihr Kindle abstaubte und den erotischen Roman zur Hand nahm. Wie der Klappentext verrät, befinden wir uns in einem fiktiven Königreich, dessen Monarch dahin siecht und eine junge Frau zwischen zwei Kerle gerät. Es befinden sich in dieser Version keine Seitenzahlen, was es für mich unheimlich schwierig macht, die gelesene Geschichte als ‚Buch‘ zu verstehen. Prozentangaben sind nicht so mein Fall. Lässt man also die Eigenwerbung weg- die wie früher bei den guten alten VHS Kasetten der bunten idyllischen Märchen im Vorspann verrieten, was bald erhältlich sein wird, zum drauf vor freuen, kommen wir auf 92% Story, gegliedert in drei Pakete: Loreena, Aroq und Mogall. Auf Nachnamen und Titel wird weitestgehend verzichtet. Erfrischend waren die Ortsnamen: Küstenmark, Nebelhorn oder Graupelwald. Das kleine erotische Märchen kommt außerdem auch ohne Karte gut aus, denn es scheint sich um ein wirklich winziges Fleckchen zu handeln in dem die anderen Reiche binnen eines Tagesmarsches erreichbar sind.

Wie eine Windmühle spannen sich im Osten Valkenhorst, im Süden Ingrimm, im Norden die Frostlande und im Westen Wahnstein auf. Wobei der Westen nur erwähnt wird nehm ich an, weil er da ist. Dort findet nichts statt. Die Haupthandlung verlagert sich vom Süden in den Osten, zurück, erneut an den Grenzen entlang nach Norden und zurück zu den Vampiren und endet wieder in der Hauptstadt der Königstochter. Diese ist eine dicke blonde Schnepfe. Oh pardon, sie ist herzallerliebst- NICHT! Was sie mir sehr sympathisch macht. Ein Trotzkopf wie es einst Emmy von Rhodens Ilse eine war. Nur nicht ganz so zickig, eher tollpatschig- was zu einer echten Tragik führt. An sich aber kommen die Charaktere, die Handlungen und die Szenen sehr minimalistisch aus.

"kommt in rabenschwarzer Nacht
und hat den Tod mitgebracht."

Über der gesamten Handlung hängt eine personalisierte Gewitterwolke. Wohin auch immer das Pechvögelchen Loreena geht, ständig hängt das diesige Wetter über ihrem Kopf. Mal mehr oder weniger rüttelt das alles an ihrem Selbstbewusstsein- wie Frauen nun einmal so sind, nimmt sie sich immer viel vor, will mutig zur Tat schreiten und den Kerlen zeigen das mit ihr nicht gut Kirschen essen ist und sie sich nicht alles gefallen lässt. Aber wenige Schritte später unter den Blicken von Amethysten und Smaragden weichen ihr die Knie ein und das ihr die Zunge nicht sabbernd aus dem Mundwinkel hängt ist wirklich alles. Besonders wenn sie es mit Graf Aroq zu tun bekommt, der- wie die Waschweiber so tratschen von Wölfling bis Küstenmark- nur deshalb nicht Ingrimm zur Ader lässt, weil er einen Narren an der Königstochter gefressen hat. Nur das Loreena es viel lieber wie in einem Kinderlied hält: ‚Ritter sein, Ritter sein… die Prinzessin möcht‘ viel lieber Ritter sein.’ Sonderlich geschickt stellt sie sich aber nicht an. Sie trägt ein Kurzschwert, das ihr verbogen wird und auch ansonsten kommt sie irgendwie einfach nicht dazu in irgendeiner Weise zu brillieren. Außer darin allen Anordnungen zu trotzen und sich Kerlen hinzugeben. Sie ist das reinste wandelnde Frischfleisch für sämtliche Männer die in dieser Geschichte herum laufen. Und sie hat dabei noch Glück, das sie den meisten schlabberigen Zungen und nach Kloake stinkenden Mundhöhlen ausweichen kann.

Nur zu Aroq- der sämtliches Geschnür was er finden kann passioniert dazu verwendet die Südländerin einzuwickeln und Mogall, der einfach nur absolut goldig ist und über enorme Zungentalente verfügt, lässt sich wirklich ran. Und das ausdauernd und oft- nicht zum Schaden der Geschichte. Denn diese dreht sich um den Zwiespalt zwischen den Gelüsten dieser beiden absolut attraktiven Männer entscheiden zu müssen. Allerdings macht Sandra Henke das sehr realistisch. Denn Loreena ist absolut blauäugig und naiv. Ihre Unerfahrenheit macht sie zum Opfer, aber nur so lange, wie man sie wieder herum zu schubsen versucht. Dann kann sie richtig biestig werden. Henke schafft in dieser Mini- Geschichte übrigens genau das was ich mir von einem anderen Buch mit ähnlichen Attitüden (Alanna- Das Lied der Löwin von Tamora Pierce) gewünscht hätte. Und das mit wesentlich weniger Seiten- markant mehr Erotik und expliziten ausgeschriebenen Szenen (aber das ist ja auch Absicht). Nämlich mir glaubhaft zu machen, das ein Mädchen zwar gewillt ist kämpferisch zu sein aber ohne die nötige Ausbildung kein Überflieger wird. Loreena ist keine Heldin, sie verschafft sich hier und da guten Ruf aber an sich beäugt man sie kritisch ob ihres zu innigen Kontaktes zum Feind. Welches Volk lässt sich das schon gefallen von seiner Prinzessin auf lange Sicht? So hätte ich erwartet das Graf Aroq ihr einfach eine Hochzeit mit ihm aufzwingen würde- Macho wie er ist- um sie ganz für sich allein zu haben.

"Grässlicher Graf Aroq,
gefährlicher Graf Aroq,"

Aber wie es für gute Geschichten Brauch ist, kommt alles anders. Ich kann auch gar nicht sagen ob ich jetzt lieber Team Aroq oder Team Mogall wäre- denn beide Männer sind auf ihre Art verführerisch. Der eine mit kurzem schwarzen Haar und hinreißendem Hintern. Der andere mit lockigem blonden Strähnen und einem Spitzbärtchen. Die Ästhetik ‚der feinen Vampire in ihrem schwarzen Zwirn‘ lässt nichts zu wünschen übrig. Aber es sind eben hier nicht alle Vampire von Haus aus die schönsten Wesen unter der Sonne- oder eher der Nacht. Denn wie es sich gehört vertragen die Blutsauger direkte Strahlen nicht so gut. Es gibt unter ihnen dicke, behaarte und dürre Wesen- ebenso wie die Protagonistin auch besser ohne Spiegel leben kann- gut das es in ihrer Welt scheinbar keine Waage gibt- damit ihr Selbstwertgefühl nicht noch mehr leidet. Andere mystische Wesen gibt es auch- nicht zu verachten die Eisspinnen und Werwölfe, die aber hier nicht fokussiert sind.

Der Ausflug in Aroqs Jugend zu seinem besten Freund, der beweist das absolut nichts auf der Welt echte Männer voneinander trennen kann, hat mich sehr erfreut und ich hätte mir selbige Hintergründe für Mogall gewünscht um mehr über seine Absichten zu erfahren. Der Vorspann ließ mich das Schlimmste befürchten und streckenweise war ich der gestelzten Wortwahl der in diesem Roman lebenden Menschen arg überdrüssig. „So lasset uns…“ oder: „Erhaben wartete Valkenhorst auf die Wende. Die östliche Krisis wusste, ihre Chance würde kommen.“(Prolog) Und man merkt wie in jedem erotischen Geschichtlein, das einem als Autor leider nur zu schnell gute Worte für bezeichnende Körperregionen ausgehen sofern man nicht vulgär erscheinen möchte. Aber an sich haben die sexuellen Begegnungen alle ihren Reiz und keine ist wie die andere, was in der Kürze wirklich geballt erscheint. Für die kleinen Hinwendungen zu den literarischen Details wie: ‚der Nachtfalter auf purpurnem Untergrund‘ sowie ‚den Regentropfen die wie Silberperlen im Spinnenetz glänzten‘ stimmen mich zufrieden, da ich eine Freundin solcher Aufmerksamkeiten bin.

"trinkt begierig dein Herzensblut,
auf dass deine Seele nimmer ruht."
 

Fazit:

Insgesamt leidet alles aber an der Kürze und den damit verbundenen Abstrichen in punkto Hintergründe, Beweggründe und Aufklärung. Der Ansatz zu Ränkespielen ist vorhanden, Vermutungen, Geheimbünde, Nebencharaktere die Potential aufweisen- aber nichts wird davon wirklich genutzt. Auch das Finale- obwohl durchaus spannend und zum ungläubigen Starren verleitend- wobei ich kurz hoffte, das ich gleich in das Plastikgehäuse beißen muss vor Aufregung- wirkt trotz viel widernatürlichem Blut sehr farblos. Und fad- denn diese Geschichte rankt sich um Loreena und ihr hin- und abwenden zu Begierde und Lust, weniger um das Märchenland in dem es spielt, obwohl sie wirklich alles in ihrer Macht stehende versucht ihrem Reich eine zukünftige großartige Monarchin zu sein- nur hat ihre Macht eben sehr enge Grenzen, die schamlos ausgenutzt werden. Und doch bin ich weit davon entfernt zu behaupten sie sei hier das schwache Geschlecht. Denn wie Loreena es treffend formulierte: ’Sie kniete zwar vor ihm, aber er war in ihrer Hand!’ Da fragt sich doch wer über wen dominant ist.

Und sie lebten glücklich…

Ich hoffe das Urteil beschwört nicht Rappaschumahs Zorn: Knackig wie ein Apfel und ebenso sündig für den kleinen Hunger zwischendurch.