Rezension

Trügerische Erinnerungen, große Lügen und die Suche nach der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit - Eugene Chirovici

Das Echo der Wahrheit
von Eugene Chirovici

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eugene Chirovici (zuvor E.O. Chirovici) ist ein rumänisch-ungarisch stämmiger Autor, der 2017 mit seinem ersten ins Deutsche übersetzten Werk „Das Buch der Spiegel“ zumindest bei mir einen bleibenden Eindruck und ein Jahreshighlight hinterlassen hat. „Das Echo der Wahrheit“ steht seinem Vorgänger in nichts nach.

 

Wieder konstruiert Chirovici einen tiefgründigen, komplexen Plot, dessen Inhaltsangabe nur 10% der gesamten Geschichte wiedergibt. Das fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Man beginnt das Buch zu lesen, findet Stücke der Synopsis im Gelesenen und in den ersten Kapiteln wieder, dann endet das, was man zuvor bereits grob erwartet hat. Plötzlich öffnen sich zahlreiche Hintertüren, Nebencharaktere treten auf, man reist an zahlreiche Orte und hätte nie gedacht, dass so dermaßen viel hinter diesem Buch steckt. Denn „Das Echo der Wahrheit“ ist definitiv mehr als ein Psychiater, der einen Multimillionär besucht, um seine Erinnerungen an eine schreckliche Nacht vor vielen Jahren wiederherzustellen. Dabei enthält der Roman genau den richtigen Anteil an Handlung, nichts unnötig lang Erklärtes oder gar fehlende Stellen, die zum Verständnis beitragen würden. Manche Abschnitte sind dabei komprimiert, andere wiederum stark gestreckt: Die Mischung machts!

 

Sein Schreibstil erzeugt eine nicht näher definierbare Sogwirkung auf mich. Einmal aufgeschlagen, klebt das Buch an meinen Händen und ich bin versunken in die Geschichte. Selbstverständlich gibt es Bücher, die schockierender und aufwühlender sind, dennoch schaffen es nicht viele davon mit jedem Satz ins Schwarze zu treffen und mich vollständig zu überzeugen.

 

Besonders die Mischung der Erzählstile kann stark punkten. Zahlreiche Kapitel des Romans bestehen aus Tagebucheinträgen, andere aus Gesprächen, manche enthalten Briefe. Die verschachtelte Story wird durch Dokumente und Nachforschungen erzählt, in diesem Fall ähnelt es dem Debüt Chirovicis. Im Gegensatz zu diesem, begleitet der Leser in „Das Echo der Wahrheit“ nur einem Erzähler, jedoch vielen involvierten Personen, die den Fortgang der Handlung maßgeblich beeinflussen, aber auch Steine in den Weg legen.

 

Großen Respekt an Eugene Chirovici, der in seinem neuesten Werk gekonnt Wahrheit mit Fiktion vermischt und die Vergangenheit gegen die Gegenwart antreten lässt. Nicht nur die Charaktere fragen sich, ob ihre Erinnerungen sie nicht doch trügen, sogar ich frage mich dies nach dem Lesen. Ich hoffe, es wird noch viel von diesem Autor veröffentlicht, der Geschichten schafft, die ich jedem ans Herz legen kann!