Rezension

Turbulente Zeiten für Mines Familie

Ein Gefühl von Hoffnung - Eva Völler

Ein Gefühl von Hoffnung
von Eva Völler

Bewertet mit 5 Sternen

Ende der 1950er, Ruhrgebiet. Sieben Jahre sind seit Katharina Wagners Tod ins Land gezogen, der kleine Jakob feiert seinen Geburtstag ohne seine Mutter, dafür mit Vater Karl, seinem leiblichen Vater Johannes, Großmutter Mine und seinen älteren Schwestern Inge und Bärbel. Im Ruhrpott geht das Zechensterben um und treibt die Bergleute um, deren Interessen Johannes als Gewerkschafter vertritt. Er ist zwar mit Katharinas bester Freundin Hanna verlobt, doch mit seinem Herzen ist er nicht dabei. Inge arbeitet als Buchhändlerin und ist mit Jugendfreund Peter verlobt, der mal die örtliche Apotheke erben wird. Als Inge von seinem Seitensprung erfährt, ist sie fast erleichtert, dass sie die Verlobung lösen kann, denn ein anderer Mann hat sich bereits in ihr Herz geschlichen, wenn diese Liebe auch nicht sein darf. Währenddessen fliegt Bärbel mit ihrem vorlauten Mundwerk fast von der Schule, aber auch Jakob hat mit seiner Lehrerin kein großes Glück. Zwischen Bärbel und Jugendfreund Klaus fängt es an zu knistern, und Oma Mina hat sie wieder alle durchschaut und hält ihre Brut in schwierigen Zeiten zusammen…

Eva Völler hat mit „Ein Gefühl von Hoffnung“ den zweiten Band ihrer Ruhrpott-Saga vorgelegt und kann auch hier wieder mit Familiengeschichten, Geheimnissen und diversen Schwierigkeiten vollauf überzeugen. Der flüssig-leichte, bildhafte und gefühlvolle Schreibstil mit dem gelungenen Lokalkolorit lässt den Leser sofort wieder an den Seiten kleben und Oma Mines Haus einziehen, um sich unter die Familienmitglieder zu mischen, die mit einigen Neuigkeiten, behördlicher Willkür und so manchem Herzschmerz zu kämpfen haben. Die 60er Jahre stehen fast vor der Tür, die Autorin lässt die damalige Zeit wieder wunderbar lebendig werden. Sowohl die politischen als auch die gesellschaftlichen Entwicklungen blitzen in der Geschichte hervor, bringen die Streiks der Grubenarbeiter wieder in Erinnerung, die damals noch in den Zechen beschäftigt waren. Aber auch ehemalige Nazi-Anhänger, die nun als Lehrer unterrichten dürfen sowie das schulische Ansinnen, alle Kinder müssten mit der rechter Hand zu schreiben, hat die Autorin sehr geschickt mit ihrer Handlung verwoben. Auch Homosexualität in jenen Tagen ist ein Thema, damals wurden gleichgeschlechtlich Liebende noch strafrechtlich verfolgt und stigmatisiert, so dass sie gezwungen waren, ihre Neigung zu verleugnen. Die alltäglichen Sorgen und Nöte werden ebenso authentisch wiedergegeben wie der enge Familienzusammenhalt, wo zwar nicht immer alles eitel Sonnenschein ist, Konflikte oder Probleme aber alle zusammenschweißen und sogar die Nachbarn mit einbeziehen. Dieser Roman lebt geradezu von den zwischenmenschlichen Beziehungen und dem gegenseitigen Miteinander, weshalb man sich als Leser richtig wohl und heimisch unter den Protagonisten fühlt.

Die Charaktere wurden weiter entwickelt und sprühen vor Lebendigkeit und Authentizität. Der Leser findet sich in ihrer Gefühls- und Gedankenwelt wieder und lässt sich gern mitten in die nostalgisch anmutende Atmosphäre hineinfallen, um den Protagonisten beizustehen, sind sie doch zu lieben Freunden geworden. Oma Mine hält den Laden am Laufen, die alte Dame hat ein großes Herz, wenn sie auch manchmal etwas schroff wirkt. Inge ist eine fleißige junge Frau, die sich um alles kümmert und sich dabei fast aus den Augen verliert. Sie ist praktisch veranlagt, hat sich aber auch das Träumen bewahrt. Johannes ist ein lieber Kerl, der sich seiner Verantwortung bewusst ist und niemanden im Stich lässt. Aber auch Karl, Bärbel, Klaus und Matthias spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte.

„Ein Gefühl von Hoffnung“ rückt liebevoll die jüngste Vergangenheit ins Licht und schleicht sich ins Leserherz. Familienglück und –schmerz sowie Romantik, Drama und die alltäglichen Sorgen lassen beim Leser Nostalgie aufkommen, so dass man sich kaum von den Seiten lösen kann. Wunderbar gefühlvoll erzählt, dafür gibt es eine absolut verdiente Leseempfehlung!