Rezension

Tyll motzt den 30-Jährigen Krieg auf!

Tyll - Daniel Kehlmann

Tyll
von Daniel Kehlmann

Bewertet mit 5 Sternen

Der Dreißigjährige Krieg, die langwierige Auseinandersetzung zwischen Protestanten und Katholiken, die Neuverhandlung der Machtansprüche, das politische Gerangel, die Zerschlagung der alten Ordnung, aber auch ganzer Dörfer und Landstriche. Eine Zeit, geprägt von schlechtem Wetter, Hunger, Gewalt, Krankheit und Tod. In dieses düstere Szenario versetzt Daniel Kehlmann kurzerhand seinen Tyll.

Tyll, wiederauferstanden aus dem 14. Jahrhundert, schenkt diesem Krieg von 1618 bis 1648 ein gutes Stück seines Lebens und zugleich Atempausen zwischen Greueltaten und Konflikten. Wir lernen den kleinen Tyll kennen, als sein Vater der Zauberei beschuldigt und hingerichtet wird. Tyll läuft davon und zieht fortan als Schausteller und Narr durch die Lande. Dabei begegnet er allerlei wichtigen und unwichtigen Leuten, lernt die Welt zu verstehen und die Menschen mit seinen Jonglier- und Seiltanzkünsten zu verzaubern. Bald schon ist er im ganzen Land berühmt und Adelshäuser lassen ihn suchen und sich bringen. Als Narr am Hof darf er ungestraft die Wahrheit sagen, verpackt in Liedern und Gedichten. Menschen, die Tyll am Herzen liegen, bringt er Tricks bei, die auch sie in die Lage versetzen, anderen den Spiegel vorzuhalten.

Leichtfüßig taucht unser Schelm immer wieder auf, wenn wir gerade fast ungläubig vom großen Geheimnis des Athanasius Kircher erfahren, oder Paul Fleming bei seinen ersten Versuchen auf Deutsch zu dichten gelauscht und Elisabeth von Böhmen bei ihren Bemühungen um eine Kurwürde für ihren Sohn zugeschaut haben. Gerade wenn wir uns fragen, wo der Tyll abgeblieben ist, da bemerken wir, dass wir so ganz nebenbei die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges kennengelernt haben, mit einer Leichtigkeit, die kein Schulunterricht jemals erreicht, die aber Kehlmann bravourös gemeistert hat.

Tyll zeigt uns den Krieg, erzählt aber auch von Aufbruch und Hoffnung und nimmt uns mit bis ganz nach oben auf das Seil und von dort können wir erkennen, dass man alles in Frage stellen kann, dass Dinge nie so festgefügt sind, wie sie scheinen und dass man mit einem Roman eine wunderbare leichte Sicht auf eine schwere Zeit haben kann. Wunderbare Sprache und äußerst unterhaltsam.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 12. August 2018 um 14:38

Ich bin gerade in der Mitte. Ganz so positiv gestimmt bin ich nicht. Eigentlich würde ich gerne einen Stern abziehen ... weiß aber (noch) nicht, ob das geht, verglichen mit anderen 4 Sterne Büchern ist es weitaus besser. Um Längen. Aber dennoch .... genial ist es nicht. Oder doch? (Wanda ringt).

Emswashed kommentierte am 12. August 2018 um 20:10

Mach doch ein halbes Sternchen mehr... aber erst mal zuende lesen. Und dann ist es immer noch Geschmacksache. Ich steh auf Kehlmann, da bin ich wahrscheinlich nicht obejktiv genug.;-)

wandagreen kommentierte am 17. August 2018 um 18:09

Jetzt erst kann ich deinen letzten Abschnitt so richtig würdigen. Oben auf dem Seil sieht die Welt ganz anders aus ... weitsichtig.