Rezension

Typischer Schwedenthriller

10 Stunden tot - Stefan Ahnhem

10 Stunden tot
von Stefan Ahnhem

Bewertet mit 4.5 Sternen

Schwedische Thriller sind aktuell „eigen“. Stefan Ahnhem folgt der Tradition seiner skandinavischen Autorenkollegen und wählt als einen seiner Aufhänger - zwar nicht das zentrale Thema - den neonationalistischen Rechtsradikalismus und die Pädophilie. In Schonen, Schauplatz des Thrillers, der südlichsten Provinz Schwedens ist für „Schwedendemokraten“ (SD) das Sammelbecken von Rechtradikalen und Neonazis. Die SD hat in Schonen gesamtschwedisch den höchsten Stimmenanteil an dritter Stelle aller Parteien. In plakativer Überzeichnung stellt Ahnhem die Gesinnung der schwedischen Neonazis dar, fehlt nur noch das eine Argument der Fremdenfeindlichkeit, dass demnächst die Scharia über Schweden (und dann natürlich über ganz Europa) hereinbricht.

Davon, dass „10 Stunden tot“ der 4. Band in der „Fabian-Risk-Reihe” ist (und mir die ersten 3 Bände unbekannt sind) habe ich diesen Band „unbeeinflusst“ gelesen. Der 4. Band der „Fabian-Risk-Reihe” deutet direkt auf den Hauptprotagonisten Fabian Risk (Polizei Göteborg) hin, dessen dienstlichen und außerdienstlichen Ermittlungen, welche bei weitem spannender sind, hin. Diese Ermittlungen zum Tod von Inga Dahlberg (zweifelsfrei ist Molander der Mörder) und von Einar Stenson (Schwiegervater von Molander) gegen seinen Kollegen Molander bilden den roten Faden des Thrillers. Es obliegt dem einzelnen Leser zu bemängeln, dass diese Mordfälle unaufgeklärt bleiben und zu vermuten, die Fortschreibung der Ermittlungen im Band 5 sei eine Marketingmaßnahme.

Molander ist ein ebenso technisch versierter und brillanter Tatortermittler wie ein gefährlicher, gewalttätiger und skrupelloser Gegner für Risk. Dieser ist ihm hartnäckig auf der Spur, hoffentlich ist er clever genug, Molander zur Strecke zu bringen. Fabians Familie mit Sonja und den Kindern Matilda und Theodor ist familiären Spannungen und Zerreißproben ausgesetzt: Matilda, die traumatisierte Tochter „spielt“ mit Freundin Esmeralda OUIJA (Brett mit Alphabet und Ziffern, um mit Geistern Kontakt aufzunehmen) und ruft Geist GRETA an. Theodor ist Neonazimitläufer.

Der Buchtitel „10 Stunden tot“ bezieht sich auf die 10 Stunden, die Gertrud in Paris „abgehen“, die Zeit, die Molander für sein Alibi bräuchte.

Ikosaeder, ein Polyeder mit 20 gleichseitigen Dreiecken, ist das totbringende „Lieblingsspielzeug“ des Würfelmörders. Ein Psychopath, der ebenfalls im nächsten Band auf seine „Erlösung“ wartet. „MOTIV X“, der schwedische Originaltitel bezieht sich auf die nicht abgebildete 10 auf dem Ikosaeder, an dessen Stelle ist dort ein X abgebildet.

Es ist Sache des Lesers wegen dieser zwei ungelösten Stränge „Gram“ auf Ahnhem zu haben, weil man gezwungen sein könnte den 5. Band zu kaufen. Mich hat das Lesen und die vielen Stränge herausgefordert, einige Fälle wurden gelöst, die besagten zwei nicht. Ahnhem gibt es selbst zu, dass er manchmal die vielen Stränge entwirren musste. Ich fühle mich weder „bedrängt“, noch „gezwungen“ den 5. Band zu kaufen. Ich gestehe dem Autor zu, den Plot in seinem Sinne zu gestalten und maße mir nicht an, die Darstellung der Ermittlungsmethoden der schwedischen Polizei zu kritisieren oder schlauer zu sein als diese. Das nenne ich literarische Freiheit des Autors. Der Plot ist „vielgleisig“ wie auf dem Cover dargestellt, einige Gleise führen ans Ziel, bei den anderen muss man weiterfahren. Der Schreibstil ist in Ordnung, gut zu lesen, spannend, der Schluss überraschend versöhnlich was Familie Risk betrifft.

Kompliment an Lilja, sie fackelt die Neonazischeune ab und rächt sich damit für den Überfall.

Die Fangemeinde von Stefan Ahnhem wird jubeln und gespannt auf Band 5 der „Fabian-Risk-Reihe” warten.