Rezension

ÜBER ANSPRECHENDE BÜCHER UND DAS, WAS SIE DAZU MACHT

Snowflake Love -

Snowflake Love
von Jennifer Lillian

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Liebesroman mit ansprechenden & interessanten Ansätze, die aber meiner Meinung nach nicht konsequent genug verfolgt werden.

>>>INHALT

Was die 29-jährige Nell erlebt, ist im Prinzip ein Klassiker: Ihre langjährige Beziehung zu ihrem Freund Greg empfindet sie als deutlich abgekühlt, weil der (immer wieder) seiner Arbeit und deren Bedeutung ganz eindeutig den Vorrang vor seiner Freundin gibt und wenig Respekt vor ihrer Art, ihr Leben zu führen, zeigt. Dann erwischt ihn Nell auch noch dabei, wie er mit seiner Assistentin während einer Firmenfeier, die er ihr verschwiegen hat, heftig flirtet.

Die enttäuschte Floristin lässt sich daraufhin von ihrer Kollegin Piper dazu überreden, in einem Schloss mitten auf dem Land - oder besser gesagt im Wald - Urlaub vom Alltag zu nehmen. Bevor sie abreist, rafft sie all ihren Mut zusammen und teilt Greg mit, dass ihre seit immerhin schon neun Jahren währende Beziehung eine Pause braucht.

Am Reiseziel, einem Schloss, das den Erholungssuchenden alle Annehmlichkeiten eines modernen Wellness-Tempels bietet, prallt Nell auf Dylan - genau den Kerl, dessen Mobbing ihre Schulzeit ausgesprochen unangenehm gestaltet hat. Er provoziert sie sofort wieder, doch Nell will sich nicht erneut in eine Opferrolle drängen lassen, wehrt sich, gießt ihm sogar in aller Öffentlichkeit ein Glas Sekt über den Kopf, weil ihr seine Attacken zu aufdringlich erscheinen.

Nachdem Nell sich bei einer einsamen Wanderung am Fuß verletzt, sucht ausgerechnet Dylan sie und rettet sie davor, im verschneiten Wald zu erfrieren. Die beiden verbringen die Nacht danach in einer Hütte. Hier erfährt Nell endlich, was Dylan dazu gebracht hat, sie seinerzeit immer wieder anzugreifen sowie lächerlich zu machen und weshalb er sich im Schloss aufhält: um den Tod seiner Schwester zu verarbeiten.

Neben Verständnis für einander wachsen Gefühle - und plötzlich findet sich Nell zwischen zwei Männern wieder: einem reumütigen Greg, der ernsthaft an sich und seinem Verhalten arbeiten will, sowie Dylan, der beginnt, sie zu faszinieren ...

>>>WANN SPRICHT EIN BUCH EINEN LESER AN?

Wenn es ...
gefällt,
interessiert,
etwas zu sagen hat,
hilft, das Leben besser zu verstehen oder zu meistern,
sich Anknüpfungspunkte zu eigenen Erlebnissen ergeben
und natürlich, wenn mehrere dieser Parameter zutreffen.

Meiner persönlichen Erfahrung nach wirken Bücher besonders dann ansprechend, wenn sie eine gewisse Resonanz auslösen - also beim Studieren ein Echo hervorrufen, weil ein Leser Erfahrungen bzw. Erinnerungen mitbringt, die bei der Lektüre berührt werden. Meinem Verständnis nach stellen dieses Berührtwerden bzw. die Resonanz eine entscheidende Voraussetzung dafür dar, dass jemand feststellt: "Das Buch spricht mich an!"

>>>WARUM ICH SECOND-CHANCE-ROMANE GRUNDSÄTZLICH SPANNEND FINDE

Jetzt sind wir mitten im Thema zu diesem Werk: Die Erfahrungen der Schulzeit erweisen sich fast immer als prägend für Menschen, wie beispielsweise Klassentreffen belegen, in deren Verlauf so manches "alte Hühnchen" gerupft wird.

Genau diese Thematik interessiert mich! Ich habe halt auch meine Altlasten, also Situationen und Personen, mit denen ich heute anders umginge als seinerzeit, während ich mich ihnen in Ermanglung von Lebenserfahrung oder völlig überrumpelt davon einigermaßen hilflos ausgesetzt fühlte. Ich bin der festen Überzeugung: Das ist ein recht weit verbreitetes Phänomen. Bestimmt einer der Gründe, warum "Second-Chance-Romane" beliebt sind: einfach noch einmal eine Konfrontation mit bestimmten Menschen & Umständen erleben und sich möglichst besser behaupten als im ersten Durchgang - was immer das auch im Einzelfall bedeuten mag.

Jennifer Lillian hat hier ein vielversprechendes Spielfeld für ihren Roman skizziert - eines, das berühren kann und die Möglichkeit zu einer Art Replay, also einer Wiederholung gibt, die man im realen Leben ziemlich selten geboten bekommt. Doch in Büchern ist ja zum Glück alles möglich, auch das restlos Unwahrscheinliche. So weit, so gut ...

>>>EIN GRADLINIGER LIEBESROMAN - FÜR MICH PERSÖNLICH MIT WENN & ABER

Ob ein Buch gefällt, ist Geschmackssache und Geschmäcker sind verschieden. So gesehen finde ich die Aufgabe für mich als Rezensentin manchmal ganz schön knifflig: Ich soll ein Buch beurteilen. Klar, dabei entwickle ich eine, nämlich meine Meinung. Nicht beeinflussbar, nicht käuflich. Aber dabei bin ich mir durchaus der Tatsache bewusst, dass es beinahe unendlich viele Möglichkeiten gibt, sich einem Werk zu nähern und dass meine Sichtweise nur einen dieser Wege der Annäherung darstellt. Da ich selbst schreibe, ist mir auch bewusst, wie schmerzlich sich eine nicht rundherum positive Kritik für einen Autor anfühlt - schließlich schreibt jeder das beste Buch, das ihm oder ihr möglich ist. Kurz: Meine Rezension stellt sowohl eine Einzelmeinung wie auch eine Momentaufnahme dar, denn meine Rezeption ist gewiss immer auch davon beeinflusst, wie meine persönliche Situation zum Zeitpunkt des Verfassens ausschaut.

Bei "Snowflake Love" ist mir in besonderem Maße aufgefallen, dass es gute Gründe gibt, diesen Roman einfach klasse zu finden und vorbehaltlos zu genießen:

Der ist lebensnah.
Das, was der Hauptfigur passiert, kann sich so jederzeit für andere im Leben 1.0 wiederholen.
Es wird gradlinig erzählt. Die Handlung verläuft gut bzw. einfach nachvollziehbar, beinahe schnörkellos.

Wer das mag, kann diesem Werk gern satte fünf Sterne geben.

Ich möchte gern erklären, warum das Werk bei mir nicht die volle Punktzahl erreicht.

>>>VIELVERSPRECHENDES SETTING - DAS BEI MIR JEDOCH EINIGE WÜNSCHE OFFENGELASSEN HAT

<<<DIE HAUPTFIGUR: Nell ist während ihrer Schulzeit heftig gemobbt worden und hat darunter gelitten. Sie besteht zwar gegenüber Dylan darauf, das habe sie stark gemacht - doch mir kommt die zentrale Figur in "Snowflake Love" nicht wirklich wie eine stabile und dementsprechend entschlossen handelnde Persönlichkeit vor: Immer wieder lässt die Autorin sie grübeln und reflektieren, ohne dass Nell zu einem Ergebnis kommt. Sie findet nicht die Kraft, Greg rechtzeitig zu kritisieren, sondern fängt erst an, aus der Beziehung auszubrechen, als der den Bogen längst überspannt und beginnt, irreversiblen Schaden anzurichten. Auch kann sich Nell nicht beizeiten dazu durchringen, Dylan mitzuteilen, dass sie sich in einer Beziehungspause befindet.

 

Ihre unentschlossene Art, sich eher treiben zu lassen, als zu handeln, führt zu einer heftigen Krise für die drei beteiligten Personen. Damit ist sie mir sehr fremd und - ja, das muss ich zugeben - auch nicht wirklich sympathisch. Warum lässt sie zwei Menschen, an denen ihr liegt, so leiden? Ich bin eher der Typ, der Stiere (solange sie klein genug sind) bei den Hörnern packt. Zaudern und Zögern machen mich ab einem bestimmten Punkt, den Nell im Verlauf der Story eindeutig überschreitet, wahnsinnig ...

Nicht die Heldin hat mich durch diesen Roman gelockt ... Aber diese aufkeimende Beziehung zwischen Täter und Opfer, die hat mich interessiert!

<<<MIR OFT ZU SCHLICHT: Die Geradlinigkeit des Romans mag manchem Leser gefallen, ich fand sie streckenweise ein wenig zu schlicht, hätte es gern raffinierter. Beispielsweise einen etwas ausgetüftelteren Handlungsbogen. Nicht wieder den schon so oft strapazierten verstauchten Knöchel, damit der Held seiner Holden zur Hilfe eilen kann. Vor allem jedoch eine ausdrucksstärkere Sprache. Die Autorin arbeitet mir zu häufig mit Hilfsverben - in manchen Passagen wimmelt es geradezu davon. Ich persönlich mag das nicht. Hier handelt es sich um eine meinem Empfinden nach kindlich simple Ausdrucksform für erwachsene Gefühle oder Beschreibungen, die mithilfe von anschaulich schildernden Vollverben eine ganz andere Tiefe gewinnen können.

Außerdem enthält der Roman viele kurzfristige Wortwiederholungen. Manchmal denke ich: "Warum verwenden Kollegen beim Verfassen ihrer Texte nicht Synonym-Suchmaschinen im Web?" Die vermitteln tolle Anregungen. Es war nie leichter, abwechslungsreich zu formulieren. Einfach tun! Texte gewinnen dadurch enorm. So wie der Gaumen es nicht schätzt, jeden Tag das gleiche Gericht zu schmecken, so mag unser Gehirn es nicht, wenn kurzfristige Wortwiederholungen Langweile mit sich bringen. Im poetischen Kontext mögen die einen Sinn und Zweck erfüllen, also als Stilmittel dienen; in der Prosa ist das nur in den seltensten Fällen so, sondern die wiederkehrenden Formulierungen stellen eher einen Indikator für eine mangelnde Aufmerksamkeit beim Schreiben, Lektorieren oder hinsichtlich des Wortschatzumfangs dar. Ja, ich bin als Leserin anspruchsvoll - und schätze, ich bin damit nicht allein.

<<<KONFLIKTSCHEU? Bei einem Second-Chance-Roman hätte/hatte ich irgendeine Form von Konfliktbewältigung erwartet: Nachdem die Protagonisten sich im ersten Anlauf quasi im Streit trennen, hätte ich gern etwas Spektakuläreres angeboten bekommen, um zum (von mir hoch geschätzten) Happy End zu gelangen. Aber die Autorin erzählt lediglich von Gefühlen, die verschwinden & verschwunden bleiben. Das mag in der überwiegenden Zahl der Fälle der Realität entsprechen - aber der Wirklichkeit bin ich tagtäglich ausgesetzt; ich lese, um das Außergewöhnliche (mit) zu erleben. Hier war ich von der Auflösung des Plots enttäuscht.

Natürlich ist die Verfasserin des Romans nicht verantwortlich für meine Erwartungen an Bücher, die ich lese - und genau deshalb stellt meine abschließende Bewertung auch alles andere als ein allgemeingültiges Urteil dar, sondern lediglich das, was ich persönlich über ein Buch sagen möchte.

>>>FAZIT

Ein Liebesroman, der für mich Spielraum nach oben besitzt, aber recht interessante Ansätze bietet.

Daher gerne drei Sterne.