Rezension

Über das Außenseitertum.

Die Ladenhüterin - Sayaka Murata

Die Ladenhüterin
von Sayaka Murata

Bewertet mit 4 Sternen

Sehr schön, dass wir auch mal etwas aus dem Ausland zu lesen bekommen: es lohnt sich.

Ein gewisses Maß an Individualität wird in unseren Breiten durchaus honoriert. Nicht so in Japan. Wo der Einzelne sich dem Gesamten unterordnen soll. Und eigentlich kein Platz ist für Außenseiter. Sie sind einfach nicht vorgesehen.

Das merkt auch Keiko Furukura, die an einem angeborenen Empathiemangel leidet. Das heißt, es ist nicht sie, die leidet, sondern ihre Umwelt. Deren Reaktionen wiederum auf Furukuras strikt auf Rationalität ausgerichtetes Denken und Handeln läßt die Protagonistin auf einen Ausweg sinnen. Sie will nicht länger anecken und auffallen.

Der auf dem Hintergrund des in Japan vorherrschenden Menschenbildes durchaus als innovativ-gesellschaftskritisch geltende Roman wäre trivial, weil er nur das Geschehen in einem Supermarkt beschreibt, wenn er in all seiner Knappheit nicht so witzig wäre und einem unwillkürlich unter die Haut ginge.

Das Bild der emsig im Konbini werkelnden Keiko ist eine Parabel für das Aussenseitertum. Zwei Arten, damit umzugehen, werden beschrieben: eine als typische weiblich geltende und eine typisch männliche Art, die im Roman jedoch vertauscht werden entgegen den üblichen Gepflogenheiten, mit anderen Worten die weibliche Figur nimmt den gesellschaftlich männlichen Part ein und die männliche Figur den (normalerweise) weiblichen.

Man hätte die Parabel jedoch auch verstanden, wenn sich die beiden Akteure nicht auch noch explitzit über das Aussenseiterdasein unterhalten hätten. Das ist so, als ob man die Thematik mit der Schaufel eingebläut bekäme. Trotzdem ist die Idee des Romans hinreißend, dazu ist er kurz und bündig.

Was den Schluss angeht, kann man geteilter Meinung sein. Er kam für mich zu abrupt und ich hätte mir ein angedeutetes, versöhnlicheres Ende gewünscht. Auf der anderen Seite kann man dem Roman durchaus keine Süßlichkeit vorwerfen! Was ein Wert per se darstellt.

Fazit: Witzige Gesellschaftskritik Japans, die durchaus auch zu uns spricht.

Kategorie: Gute Unterhaltung. Gesellschaftskritik.
Aufbauverlag, 2018