Rezension

"Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein..."

Lady Africa - Paula McLain

Lady Africa
von Paula McLain

Bewertet mit 3.5 Sternen

Grenzenlose Freiheit, wie im Lied von Reinhard Mey besungen, hat Beryl Markham als Kind erfahren, als sie unbeschwert auf der afrikanischen Farm ihres Vaters zwischen Rennpferden und den benachbarten Kipsigis-Jungen aufgewachsen ist. Als Heranwachsende bringen ihre Versuche, diese verlorengegangene Freiheit wiederzufinden, immer wieder in Konflikt mit den engen Grenzen der "besseren Gesellschaft" Ostafrikas.

Eines vorab: Auch wenn Beryl Markham als Flugpionierin in die Geschichte eingegangen ist, bildet dieser Teil ihrer Biografie nur einen kleinen Teil der Rahmenhandlung von "Lady Africa".
Einen Schwerpunkt der Geschichte bildet Beryls Kindheit auf der afrikanischen Farm ihres Vaters. Verlassen von Mutter und Bruder, die sich mit dem Leben auf dem afrikanischen Kontinent nicht anfreunden konnten und zurück nach England gegangen sind, wächst Beryl zwanglos und frei zwischen den Rennpferden ihres Vaters und den benachbarten Kipsigis-Jungen auf.
Dieses Fehlen von Grenzen wird es Beryl allerdings ihr ganzes Leben lang schwer machen, sich in der Gesellschaft anderer Menschen angemessen zu verhalten. Selbst als Erwachsene neigt Beryl dazu, über die Konsequenzen ihres Tuns - vor allem für die Menschen in ihrer Umgebung - nicht sonderlich nachzudenken. Keine gute Voraussetzung, um in der "besseren Gesellschaft" Ostafrikas bestehen zu können. Immer wieder hat Beryl mit der Doppelmoral ihrer Umgebung zu kämpfen, oft genug aber auch mit den eigenen unbedachten Handlungen.
Insofern ist Beryl Markham nicht gerade eine strahlende Sympathieträgerin, deren Lebensweg man wohlwollend mitverfolgt. Bis zum Schluss bleibt die Person Beryl Markham dem Leser eher fremd und unerklärlich, was aber durchaus zu den Informationen passt, die von der realen Beryl Markham überliefert sind. Durch die ausführliche Schilderung der Kindheit Beryls kann der Leser außerdem seine eigenen Schlüsse ziehen, inwiefern Beryls (zu) freies Aufwachsen mit den Schwierigkeiten zusammenhängt, in die sie als Erwachsene immer wieder gerät.

Etwas irritierend sind die Zeitsprünge, die in der Erzählung vorkommen. Man weiß nie so recht, wie viel Zeit seit der letzten Episode vergangen ist, sondern muss es sich mühsam zusammenreimen. Hinzu kommt, dass durch die ganzen "Momentaufnahmen" manchmal die Tiefe verloren geht.

Schade fand ich, dass das Buch mit der Atlantik-Überquerung von Beryl Markham schließt. Zum einen hätte ich gerne noch mehr über ihren weiteren Lebensweg erfahren, der ja noch mal Stoff für mindestens einen weiteren Roman geliefert hätte. Zum anderen fühlte es sich für mich nicht stimmig an, dass dieser Lebensabschnitt (und die damit verbundenen Personen) von der Autorin quasi zum Höhepunkt von Beryls Leben erklärt werden; alles, was danach kam, scheint (für die Autorin) nicht mehr so interessant zu sein.

Fazit: Ein biografischer Roman, der seine Leser bewusst herausfordert. Wer auch mal Interesse an einem sperrigen und widersprüchlichen Charakter hat und nicht nur auf die Schublade "Flugpionierin & starke Frau" fixiert ist, dem sei "Lady Africa" trotz einiger kleiner Schwächen empfohlen. Auch wenn die Autorin meiner Meinung nach in einigen Lebensbereichen Beryls zu stark suggeriert, was der Leser zu glauben habe, so bleibt doch immer noch genug Raum für eigene Interpretationen in Bezug auf das oft verwirrende Verhalten Beryl Markhams.
Gerade diese Ecken und Kanten verleihen der Geschichte aber auch ihre Authentizität und ihren Reiz, denn sonst hätte man das Ganze auch unter dem Titel "Die Fliegerin" als einen weiteren austauschbaren Roman über starke Frauen mit historisch angehauchtem Hintergrund vermarkten können.