Rezension

Über die Trivialität und Allgegenwärtigkeit des Thema Krebs in unserer westlichen Gesellschaft

Malignant - S. Lochlann Jain

Malignant
von S. Lochlann Jain

Zum Inhalt: Mit "Malignant – How Cancer becomes Us" behandelt die Autorin S. Lochlann Jain eine Thematik, die auch ihre eigene ist. Sie selbst erhielt im Alter von 36 Jahren, nachdem sie drei Jahre lang von mehreren Ärzten fehldiagnostiziert wurde, die Diagnose Brustkrebs. Doch es ist kein Erfahrungsbericht, der den Leser in diesem Buch erwartet, es ist eine anthropologische Abhandlung zum Thema Krebs, die so vielseitige Bereiche wie Medizingeschichte, Onkologie, gesundheitspolitische und wirtschaftliche Aspekte sowie Literatur aus mehreren Jahrzehnten zum Thema bündelt und damit aufzeigt, wie multidimensional und wie sehr diese Krakheit ein gesellschaftsübergreifendes Thema ist. Warum bleibt die Erkrankung Krebs, trotz der vielen Milliarden Dollar, die in die Suche nach einer Therapie investiert werden, noch immer so wenig greifbar? Wo findet man den einzelnen Krebspatienten, den kranken, individuellen Menschen mit seiner ganz persönlichen Geschichte, zwischen all den Daten, Statistiken und Prognosen, die von Wissenschaftlern und Ärzten generiert werden, wieder? bedingt durch ihre eigene Krankheitsgeschichte ist ein Schwerpunkt im Buch die besondere Situation von Patienten, die schon in jungen Jahren eine Krebsdiagnose bekommen: Wie steht man dazu, für eine Zukunft vorzusorgen, für die die Lebensversicherung erst in 40 Jahren ausgezahlt werden wird, wenn man nicht weiß, ob man zu jenen gehören wird, die die nächsten 5 Jahre überleben?

Es geht um die vielschichtige und oft widersrpüchliche Einstellung einer Gesellschaft zur Menschheits-Geißel Krebs, in der das Ausmaß und die Allgegenwärtigkeit seiner Existenz verdrängt wird und in der sowohl nach einer Therapie für die unterschiedlichen Krebsarten gesucht wird, während gleichzeitig der Profit großer und mächtiger Industriezweige und großer Bereiche medizinischer Forschung auf seiner Existenz basiert.

Eigene Meinung: Die Autorin ist Associate Professor an der Stanford University und beschäftigt sich mit anthropologischen Aspekten der Medizin und Rechtswissenschaften. Dies ist mit Sicherheit ein Grund, warum ihr die Synthese aus persönlichen, kulturellen, soziologischen, politischen, moralischen und vielen anderen Bereichen, die vom Thema Krebs betroffen sind, so umfassend und überzeugend gelingt. Die unterschiedlichen Kapitel beginnen jeweils mit einem Link zu ihrer eigenen Krankheitsgeschichte und ihrem Wahrnehmen der "Krebs-Gesellschaft", nachdem sie selbst mit Brustkrebs diagnostiziert wurde und gerade diese eingestreuten persönlichen Erfahrungen und Einsichten machen die behandelten Themen unterschiedlichster Art so greifbar und lassen den Leser nicht vergessen, dass dies nicht alles nur Theorie und Statistik ist (wenn man darauf achtet, hört jeder von uns mindestens einmal am Tag irgendwo von einer Statistik zum Thema Krebs), sondern dass sich dahinter unzählige persönliche Geschichten, mit all ihren Ängsten, Hoffnungen und Verlusten verrbergen.

Ich selbst arbeite im Bereich der onkologischen Forschung und hatte mir ursprünglich von dem Buch etwas anderes erwartet – den Schwerpunkt mehr auf den medizinischen Aspekten und Patientenmanagement – aber nachdem ich das Buch gelesen habe, bin ich froh, dass ich durch das Buch die Mögllichkeit hatte, einen anderen Blickwinkel auf die Krankheit Krebs inklusive meines eigenen beruflichen Umfelds zu bekommen, der mein Verständnis dieser umfassenden und tiefgreifenden Thematik um viele wichtige Aspekte bereichert hat.

Ich habe das Buch in der englischen Originalfassung gelesen und fand die Sprache – obwohl ich es gewohnt bin, viele und auch wissenschaftliche englische Texte zu lesen – zum Teil recht anspruchsvoll. Über viele Passagen hinweg hat das Buch meine volle Konzentration erfordert, aber das Durchhalten hat sich von der ersten bis zur letzten Seite gelohnt.