Rezension

Über einen Wissenschaftler, der auch Vater ist

Der Junge, der zu viel fühlte - Lorenz Wagner

Der Junge, der zu viel fühlte
von Lorenz Wagner

Bewertet mit 4 Sternen

Es gibt einen Unterschied zwischen Krankheit und Besonderheit

Das Buch schildert den Weg der wissenschaftlichen Erforschung und der Suche nach Behandlungsmethoden von Autismus und erzählt gleichzeitig die Geschichte der Familie Markram und ihres autistischen Sohnes Kai.

Es wurde von einem Journalisten geschrieben, basierend auf den Interviews und Briefen und Dokumenten, die von der Familie zur Verfügung gestellt wurden. Leider kommt für meinen Geschmack Kai zu kurz. Er ist am Ende der Geschichte bereits 22 Jahre und mich hätte seine Sicht ebenfalls sehr interessiert. So basiert der Großteil der Erzählung auf den Erinnerungen von Vater und Mutter später auch auf die Schilderung Markrams zweiter Ehefrau. Der ständige Zwiespalt zwischen der Sicht der Eltern als Wissenschaftler und als Mutter und Vater wird gut transportiert. Besonders gut hat mir auch die Schilderung der wissenschaftlichen Erforschung und der Skepsis der alteingesessenen Spezialisten gefallen.

Das Buch gibt einen guten Einblick in die Besonderheiten von Autisten und weist immer wieder darauf hin, diese Entwicklungsbesonderheit nicht als Krankheit oder Behinderung anzusehen, sondern Autisten sind vollwertige Menschen, die über außergewöhnliche Talente verfügen. Besonders wichtig ist die Einzigartigkeit des Einzelnen. Laut Auffassung von Markram sagt die Diagnose Autismus nichts über die Stärken und Schwächen des Einzelnen aus. Sie ist nur eine Zusammenfassung veschieden möglicher „Symptome“ einer Mutationsgruppe in der Evolution. Viele der geschilderten Erlebnisse und Forschungsergebnisse haben mein Bild von Autisten verändert.

Leider ist das Buch mit sehr viel emotionalem Abstand geschrieben und kommt als reine Nacherzählung daher. Trotzdem habe ich es gerne gelesen. Der Inhalt zählt.

Fazit: lesenswert