Rezension

Über Gilead

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

~~Margaret Atwood- Die Zeuginnen
 
30 Jahre nach ihrem großen  Erfolg „Der Report der Magd“ hat Margret Atwood die langersehnte Fortsetzung veröffentlicht und was soll ich sagen, erneut hat sie ein großartiges Stück Literatur geschaffen.
Den Report sollte man vorher allerdings bereits gelesen haben, denke ich, um dieses Werk zu verstehen und zu genießen. 

Vor drei Jahrzehnten ließ Atwood ihre Leser über das endgültige Schicksal der Magd Desfred im Unklaren, die Zeuginnen füllen nun diese und etliche Lücken mehr. Erfuhr man im Report nur aus Desfreds sehr eingeschränkter Sicht der Begebenheiten; sie wusste einfach nicht mehr, so öffnet Atwood nun das Sichtfenster deutlich. Endlich erfährt der Leser auch, wie es überhaupt dazu kommen konnte, wie sich das System zu dem entwickelte, was es nun war. Auch der Blick aus den Nachbarländern ist höchst interessant, Gilead ist nämlich gar nicht so groß, wie es den Anschein hatte.

„Die Zeuginnen“ spielt etwa 15 Jahre nach dem Report und wird in drei Handlungssträngen von drei unterschiedlich betroffenen Frauen erzählt.
Da ist zum einen Tante Lydia, bereits bekannt aus dem Report. Sie hat Gilead mit aufgebaut, kennt es in und auswendig und spielt ganz oben mit. Gerade Lydia wird als hochkomplexe Persönlichkeit geschildert. Es gibt nicht nur Gut und Böse, so einfach ist das nicht in Gilead.
Dann Agnes, eine junge Frau, die in Gilead aufgewachsen ist und nun auf ihre Rolle als Ehefrau eines Kommandanten vorbereitet wird.
Und schließlich Daisy, ein modernes Mädchen, welches das Glück hatte, im freien Kanada aufzuwachsen und Gilead nur vom Hörensagen kennt, und aus dem Fernsehen. Doch nun soll sie als Perlenmädchen dort eingeschleust werden, um wesentlich zum Fall Gileads beizutragen.

Dieser Roman ist spannend wie ein Thriller und allein schon durch den Aufbau moderner als der Report. Wobei er aber sprachlich und stilistisch nicht ganz an seinen Vorgänger heranreichen kann. Muss er aber auch nicht, mich hat er trotzdem überzeugt. Gerade durch seinen moderneren Auftritt entzieht sich das Werk in gewisser Weise einem direkten Vergleich.
 
Die Frauen sind nun mutiger und weniger gewillt, sich den Gegebenheiten unterzuordnen. Das mag auch daran liegen, dass die nun erzählenden Frauen wesentlich höher gestellt sind als die arme Magd Desfred. Toll fand ich auch, dass sogar die Sprache in den einzelnen Abschnitten der jeweiligen Zeugin angepasst ist. Je nachdem, wo die Mädchen aufgewachsen sind, drücken Sie sich anders aus. Das wirkt beinahe beängstigend authentisch. Die Prägung durch die jeweiligen Erfahrungswelten fand ich sehr gut herausgearbeitet.

Atwood hat meiner Meinung nach nicht enttäuscht. Sie vermag es ihre Leser zu fesseln.
Und beinahe freue ich mich, dass auch nun wieder etliche Fragen offen bleiben und hoffe auf einen krönenden Abschluss einer Trilogie.