Rezension

Über Toleranz und ihre Grenzen.

Toleranz: einfach schwer - Joachim Gauck

Toleranz: einfach schwer
von Joachim Gauck

Bewertet mit 5 Sternen

Fünf Sterne für die Toleranz und ihre Verteidiger. Aber auch die Toleranz kennt Grenzen. Sonst schlägt man sie tot.

Joachim Gauck versucht sich anhand seiner eigenen Lebensgeschichte daran, die Sache mit der Toleranz zu verdeutlichen. Toleranz ist so lange leicht, wie sie nicht praktisch herausgefordert wird. Dennoch tun wir alle gut daran, von Zeit zu Zeit über unseren Schatten zu springen und auch einmal eine Meile in den Mokassins des anderen zu gehen. Aber dieses Gebot richtet sich an alle!

An Gaucks, übrigens sehr klugem Versuch, die Sache mit der Toleranz zu erklären und warum sie manchmal schwierig zu leben ist, haben mir mehrere Aspekte gefallen. Erstens, die Erläuterung auch am praktischen Beispiel, es bleibt nicht alles theoretisch. Zweitens, dass Joachim Gauck um Ausgleich bemüht ist und drittens, sein bekannt gewordenes Zitat aus einer Rede aus dem Jahr 2015: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich“. Wer diese Tatsache nicht anerkennt, ist ein Realitätsverweigerer.

Toleranz gegenüber den Toleranten, aber die Forderung nach Tolerierung/Toleranz kann auch von denjenigen erhoben werden, die ihrerseits keine Toleranz ausüben. Dann wird es kritsch. Besonders einleuchend befand ich deshalb die Ausführungen zu Forderungen der sogenannten politischen Correctness, die tyrannische wie auch lächerliche Ausmaße annehmen kann bis dahin, dass sie unseren Sprachgebrauch regeln möchte.

[Meinung: Habe ich doch selbst über die Jahre beobachtet, wie bei meiner Lieblingstalksendung „Markus Lanz“ sich die Regeln allmählich wieder lockern, beziehungsweise ändern. Noch vor nicht allzu langer Zeit fuhr der Talkmaster jedem über den Mund, der sich in irgendeiner Form kritisch gegenüber dem (politischen) Islam äußerte. Eine ehrliche Auseinandersetzung war nicht gewünscht! Bei „Markus Lanz“ kann man ausgezeichnet beobachten, was zur Zeit zur politischen correctness gerechnet werden soll.

Allmählich darf man wenigstens darüber diskutieren, inwieweit der politische Islam dem Land gut tut, ohne gleich moralisch „böse“, „rechts“ und als „islamophob“ verschrien zu werden. Fördern und fordern ist ja meine Meinung. Das eine ist nicht gut ohne das andere. Diese Meinung findet sich allerdings nicht Eins zu Eins im Buch. Das ist Interpretation.]

Aber von vorauseilendem Gehorsam ist die Rede. Eine Spezialität der Deutschen. Es darf weder eine Tyrannei der Mehrheit, noch die Tyrannei einer (lauten) Minderheit geben.

Joachim Gauck zitiert Karl Popper: „Wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen. Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“

Diese Haltung muss sich auch auf fremde Sitten und Gebräuche ausdehnen, so weit sie unseren Gesetzen entgegenstehen. Die Toleranz darf nicht so weit gehen, dass die einen wegen ihrer „fremden Kultur“ vor dem Gesetz anders behandelt werden als die anderen und auch nicht so weit, dass das Neutralitätsgebot des Staates gegenüber der Religion aufgeweicht wird.

FAZIT: Im Grunde sagt Herr Gauck, dass wir alle Lernende sind und es keinen Zweck hat, gegen Veränderungen zu rebellieren. Aber eine Blindheit gegenüber den Problemen, die Migranten mit sich bringen, hilft uns auch nicht weiter.

Von mir bekommt die sehr gelassene Auseinandersetzung Joachim Gaucks zu den Gegebenheiten in unserem Land nicht nur die volle Punktzahl, sondern auch eine dicke Leseempfehlung.

Kategorie: Politisches Buch. Sachbuch.
Verlag: Herder, 2019

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 24. September 2019 um 21:45

„Wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen. Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ - Aber das ist doch selbstverständlich und nix Besonderes!

wandagreen kommentierte am 24. September 2019 um 21:53

Eben! Wer sagt, es sei was Besonderes? Aber leider ist dieses Nicht-Besondere im Bewusstsein vieler Menschen verloren gegangen. Oder wenigstens nicht mehr präsent!

Emswashed kommentierte am 25. September 2019 um 08:00

Da ich gerade ein Paradebeispiel von falschverstandener "political correctness" und daraus resultierender Intoleranz miterleben darf, kommt mir Gauck wie ein persönlicher Coach gerade recht!