Rezension

Überleben macht einsam

How To Stop Time - Matt Haig

How To Stop Time
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Wünscht sich nicht jeder Mensch insgeheim, den Alterungsprozess aufzuhalten? Dabei ist das vielleicht gar nicht so erstrebenswert, wie dieser Roman zeigt.

Der Ich-Erzähler Tom Hazard sieht aus wie 40, ist aber über 400 Jahre alt. Er altert so langsam, dass er alle acht Jahre eine neue Identität annehmen und die Regeln einer bestimmten Organisation beachten muss, um sich und sein Umfeld zu schützen. Zuletzt hat er passenderweise eine Stelle als Geschichtslehrer in London angenommen.

Mir würden ja etliche Berufe und Lebensentwürfe einfallen, die ich in solch einer großen Zeitspanne ausprobieren könnte. Doch was auf dem ersten Blick aufregend und als große Bereicherung erscheint, hat auch seine Kehrseite. Tom hat jedenfalls schon vor langer Zeit nicht nur seine geliebte Frau Rose, sondern auch seine Lebensfreude verloren, weil er einsam ist und das Gefühl hat, alles schon einmal erlebt zu haben. Sein einziger Lebensantrieb ist die Suche nach seiner verschwundenen Tochter Marion, die unter der gleichen Krankheit leidet wie er.

So spontan wie Tom seine Flashbacks erlebt, werden auch wir wie in einer Achterbahn aus der Gegenwart in vergangene Epochen und verschiedene Kontinente katapultiert. Nach und nach erfahren wir nicht nur Einzelheiten über sein persönliches Schicksal, sondern auch von Kriegen, Hexenverbrennungen, geografischen Entdeckungen und seinen Begegnungen mit prominenten Zeitgenossen wie Shakespeare, Captain Cook oder Charlie Chaplin.

In seinem letzten Roman „The Humans“, der mich begeistert hat, ging es um die räumliche Dimension. Nun hat sich Matt Haig die Zeitachse vorgeknöpft und erneut eine brillante Idee intelligent und unterhaltsam umgesetzt. Wie fühlt es sich wohl an, wenn ein Gegenstand oder ein Duft nicht nur eine, sondern gleich unzählige Erinnerungen hervorruft? Seine philosophische Gedanken regen dazu an, über seine eigene Lebenszeit, den Sinn des Lebens und die Liebe nachzudenken und sind auch ein Appell, sich von Ängsten, die das Umfeld in seinem eigenen Interesse bei den Menschen schürt, zu befreien.