Rezension

Überlebenskampf zweier Schwestern in der Nachkriegszeit

Der schwarze Winter -

Der schwarze Winter
von Clara Lindemann

Bewertet mit 5 Sternen

1946. Der Zweite Weltkrieg ist endlich beendet, doch nun beginnt die eigentliche Herausforderung für die besiegte Bevölkerung Deutschlands, denn der Mangel an allem Lebensnotwendigen, Hunger und erbarmungslose Kälte fegt durch das Land. Die Schwestern Silke und Rosemarie Bensdorf sind auf einem Bauernhof untergebracht, wo sie von morgens bis abends den Repressalien des Eigentümerehepaars unterwerfen müssen. Als der Bauer dann Rosemarie auch noch an die Wäsche will, flüchten die beiden Schwestern nach Hamburg, um sich dort auf Arbeitssuche zu begeben und sich irgendwie durchzuschlagen, vor allem aber ihre kleine Schwester wiederzufinden. Doch die Hansestadt ist völlig ausgebombt, und die britischen Besatzer erlauben niemandem mehr den Zugang zur Stadt. So sind die zwei gezwungen, sich über den Schwarzmarkt mit dem Nötigsten zu versorgen, obwohl auch das ein Glücksspiel ist. Ein einigermaßen sicherer Schlafplatz, die Begegnung mit dem Schwarzmarkthändler Egon Tönnes und Hans Meiser sowie ihr unermüdlicher Überlebenswille lässt sie bald Erfolg haben auf dem Schwarzmarkt, der es ihnen ermöglicht, schon bald eine Bar zu führen. Aber der Ärger ist schon vorprogrammiert…

Clara Lindemann hat mit „Der schwarze Winter“ einen sehr unterhaltsamen, aber auch berührenden historischen Roman vorgelegt, der sich intensiv mit den ersten Nachkriegsjahren und dem Leben der damaligen Bevölkerung beschäftigt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil schleust den Leser sofort ins vergangene Jahrhundert, wo er sich mit den Schwestern Rosemarie und Silke vor großen Herausforderungen sieht, die es zu bewältigen gilt. Lindemann bedient sich einer bildreichen, aber auch spannenden Schilderung der damaligen Lebensumstände, denen sich die Menschen nach dem Krieg gegenüber sahen. Einer der härtesten Winter muss durchgestanden werden, während die Lebensmittel sehr knapp sind, alles in Trümmern liegt und kaum Heizmaterial zu kriegen ist. Unterkünfte sind schwer zu bekommen, zudem ist die Bevölkerung der Willkür der Besatzer ausgesetzt, sie müssen sich selbst helfen, und dabei ist sich jeder selbst der nächste. Der Schwarzmarkt ist zwar verboten, treibt aber weitreichende Blüten und nicht wenige vertauschen hier ihr letztes Hab und Gut für einen alten Kanten Brot. Die Not der Menschen spaltet sie auch in zwei Lager: in die, die geschäftstüchtig und hart genug sind und diejenigen, die sich kaum zu wehren wissen und am Leben verzweifeln. Wunderbar fügt Lindemann ihre Protagonisten in diese sehr düstere Kulisse ein und jagt den Leser dabei durch ein wahres Gefühlsbarometer, denn auch die beiden Schwestern haben ihre ganz eigenen Päckchen zu tragen, während sie sich in Hamburg durchschlagen und das Elend mit jeder Pore spürbar ist.

Die Charaktere sind lebendig inszeniert, bestechen durch glaubwürdige Ecken und Kanten, wodurch sie den Leser schnell an sich binden, der ihnen nicht von der Seite weicht, bis die letzte Seite gelesen ist. Silke und Rosemarie sind so gegensätzlich wie Feuer und Wasser. Silke handelt eher pragmatisch und überlegt, wägt alles ab, zeigt Willensstärke und Durchsetzungskraft. Sie hadert damit, sich dem NS-Regime zugewandt zu haben und muss mit sich erst einmal ins Reine kommen. Rosemarie dagegen ist den Nazis nie auf den Leim gegangen, sie wirkt unbeschwerter und vorlaut, vor allem aber sehr stur und rechthaberisch. Friseur Hans Meiser ist ein gewieftes Schlitzohr, er hortet alles, was sich verkaufen lässt. Ebenso können Schwarzhändler Egon Tönnes und Gustav überzeugen.

„Der schwarze Winter“ überzeugt mit farbenfrohem Schreibstil und einer unterhaltsamen Geschichte vor historischem Hintergrund, in deren Mittelpunkt zwei starke Frauen ums Überleben kämpfen. Absolute Leseempfehlung!