Rezension

Überlebt. Gegen jede Wahrscheinlichkeit – Ein glanzvoller Lesegenuss

Die Nachtigall
von Kristin Hannah

Bewertet mit 5 Sternen

Zwei Schwestern im von Deutschen besetzten Frankreich, 1939. Die eine kämpft für die Freiheit und die andere für die Liebe.

Viannes Ehemann Antoine wird in den Krieg einberufen und Vianne muss sich fortan allein um die kleine Tochter und das Haus Le Jardin kümmern. Die Schrecken des Krieges rücken immer näher an Vianne heran und bald schon muss sie um ihr aller Überleben ringen. Viannes Freundin Rachel ist Jüdin und Mutter eines kleinen Jungen. Als Rachels Deportation bevorsteht müssen die beiden Freundinnen eine schwere Entscheidung treffen, um Rachels Sohn zu retten.

Während dessen begegnet Viannes rebellische Schwester Isabell Gaëton, einem Kämpfer der Résistance. Sie verliebt sich in ihn und schließt sich einem äußerst gefährlichen Unternehmen an. Isabell führt abgeschossene Piloten der Alliierten zu Fuß über die Pyrenäen. Doch die Deutschen bekommen Wind von der Fluchtroute, von dem Pfad der Nachtigall, und sie setzen alles dran, um die Nachtigall zu fangen.

Die Geschichte basiert auf den wahren Schicksalen französischer Frauen.

Die Autorin:

Kristin Hannah, geboren 1960 in Südkalifornien, arbeitete als Anwältin, bevor sie zu schreiben begann. Heute ist sie eine internationale Top-Bestseller-Autorin und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Pazifischen Nordwesten der USA und auf Hawaii.

In den USA begeisterte „Die Nachtigall“ Millionen von Lesern und steht seit über einem Jahr auf der Bestsellerliste. Die Nachtigall ist der Weltbestseller – die Nr. 1 aus den USA.

Reflektionen:

Dieser Roman hat mich zutiefst beeindruckt und berührt. Manchmal las ich mit einem von Tränen verschleiertem Blick, obwohl ich alles andere als nah am Wasser gebaut bin. Die Geschichte besitzt eine unglaubliche Tiefe und mit dem Gedanken daran, dass dieser Roman auf Grund von wahren Erzählungen französischer Frauen entstanden ist, konnte ich meine Emotionen bei diesem kraftvollen Werk kaum im Zaume halten.

Kristin Hannah erzählt die Geschichte zweier Frauen im besetzten Frankreich, die jeweils ihr Schicksal auf ihre eigene Weise meistern müssen. Die beiden Frauen sind Schwestern und sie könnten nicht unterschiedlicher sein.

Als die Mutter der Schwestern früh stirbt, wendete sich der Vater von ihnen beiden ab und schiebt die Kinder von sich. Während Vianne diese Gegebenheiten akzeptiert, büxt Isabell immer wieder aus Internaten und Klöstern aus, um zu ihrem Vater zurück zu kommen, der sie jedoch immer wieder zurückweist und fortschickt.

Vianne ist Lehrerin und Mutter einer kleinen Tochter. Nach der Einberufung ihres Ehemanns Antoine ist sie auf sich selbst gestellt. Sie hält sich an die Sitten und Gebräuche der Zeit, immer in Sorge und in der Verantwortung für ihr Kind. Sie hält sich auch an die Regeln, die die Nazis aufstellen, vor allem als ein Deutscher Hauptmann in ihr Haus einquartiert wird.

Viannes Leben wird immer schwieriger. Sie opfert sich auf für ihre Tochter und doch leiden sie unter der eisigen Kälte der Winter, unter den Entbehrungen, Hunger, Verzweiflung und Angst.

Der deutsche Hauptmann, ein verheirateter Mann und Vater, ist äußerst höflich und behandelt Vianne mit großem Respekt. Und trotz Viannes vorsichtigem und zurückhaltendem Verhalten, ergeben sich emotional geschwängerte Momente zwischen ihnen. Vianne ist im Konflikt mit sich. Einerseits benötigen sie die kleinen Zugaben des Hauptmanns, andererseits ist er der Feind.

Isabell, die zehn Jahre jüngere Schwester, fühlt sich von aller Welt ungeliebt. Sie ist rebellisch, vorlaut, undiszipliniert und sie hat sich in den Kopf gesetzt, den Krieg so nicht zu akzeptieren. Sie will für ihr Vaterland kämpfen und das tut sie auch sehr temperamentvoll, nachdem sie den Widerstandskämpfer Gaëton trifft und sich in ihn verliebt. Als Leser hat man jedoch das Gefühl, dass Isabell eine unreife Entscheidung getroffen hat und den Widerstand wie ein Abenteuer ansieht. Isabell wird zur „Nachtigall“, die abgestürzten Piloten der Alliierten zur Flucht verhilft und die sie unter unglaublichen Entbehrungen und Anstrengungen zu Fuß über die Pyrenäen führt.

In dieser Zeit wendet sich Isabell von der Schwester ab, da sie sie nicht Gefahr bringen will. Und als die Gefahr doch plötzlich präsent ist, müssen die beiden Schwestern einen Menschen töten, um sich selbst zu retten. Letztendlich müssen sie sich wieder trennen und sie fehlen sich fast ein ganzes Leben lang.

Kristin Hannah verdeutlicht in ihrem Roman, wie die Entbehrungen und Grausamkeiten des Krieges aussahen, in dem sie ihre Figuren einen dramatischen Alltag leben lässt, an dem der Leser so auch im Kleinen sehr intensiv teilhaben kann. Es sind die Frauen, die Kristin Hannah in ihrem Roman in den Vordergrund rückt, denn sie waren diejenigen, die in dieser Zeit so sehr litten. Gleichzeitig erzählt Kristin Hannah wie unglaublich stark und bewundernswert diese Frauen waren, die nie mit Worten ihr Leid beklagten. So kommt die Geschichte sehr emotional und nah an den Leser heran und die mehr als 600 Seiten lesen sich wie im Fluge dahin. Ich empfand dieses Buch als einen Pageturner, den ich aber recht langsam und sehr bewusst gelesen habe, um die außergewöhnliche Tiefe der Geschichte nicht leichtfüßig an mir vorbeiziehen zu lassen.

Die liebevoll erschaffenen, wohlgeformten Charaktere sind verantwortlich für eine in sich harmonische Geschichte. Natürlich sind nicht alle Figuren sympathisch, wie sollten sie es in dieser bedrückenden und historischen Zeit auch sein, aber sie besitzen alle ein sehr interessant zu lesendes Leben, dass oftmals mit vielen zahlreichen Figuren untereinander verknüpft und verwoben ist.

Fast bis zu Letzt kann ich eine Perspektive keiner Figur aus den beiden Haupterzählsträngen zuordnen. Es ist eine Perspektive die in der Ich-Erzählweise geschrieben ist und die zeitlich in der Gegenwart der USA beginnt. Eine alte, gebrechliche Frau, der man erneut Krebs diagnostiziert hat, wird von ihrem Sohn umsorgt. Doch dann nimmt sie trotz ihrer gesundheitlichen Schwäche spontan und eigenwillig eine Einladung zu einem Passeur-Treffen (Fluchthelfer) in Paris an. Sie bucht einen Flug und ist sehr überrascht, dass sich ihr Sohn, für ihn selbstverständlich, ihr anschließt. Er ahnt nicht, wie die Begegnungen in Frankreich sein Leben nachhaltig verändern werden.

Kristin Hannahs Schreibstil ist federleicht und glasklar. Man gleitet sanft durch die Seiten und wird immer tiefer in die bedrückend düstere Stimmung des Romans hineingesogen. Die Nachtigall ist ein historisch wertvoller Roman, über das von deutschen besetzte Frankreich, und eine anmutige und rührende Geschichte, in einem literarisch sprachgewaltigen Stil. Die Nachtigall ist ein vollendeter Lesegenuss.

Ich bewundere diese hoch spannend geschriebene Geschichte. Kristin Hannahs Recherchen müssen sehr aufwendig betrieben worden sein, denn die Lebensläufe der Figuren strotzen vor Authentizität. Diese Authentizität ist das, was den Leser einfängt und berührt, denn wir wissen alle, welch geschichtsträchtiges Grauen die damaligen Schicksale der Menschen gezeichnet hat und dieser Roman erinnert an diese Gräueltaten, die niemals vergessen werden dürfen.

Diese Rezension ist doch sehr lang geworden. All meine seitenlangen Notizen liegen dennoch unbeachtet neben mir, da die Worte dieser Rezension einfach so aus mir herausfließen. Ich wünsche mir, dass dieser Roman gelesen wird, denn er ist etwas ganz Besonderes und er wird sicher zu meinen Lesehighlights zählen.

Fazit und Bewertung:

Die Nachtigall ist ein historisch wertvoller Roman, über das von deutschen besetzte Frankreich, und eine anmutige und rührende Geschichte, in einem literarisch sprachgewaltigen Stil. Die Nachtigall ist ein vollendeter Lesegenuss.