Rezension

Überraschend

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war - Joachim Meyerhoff

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
von Joachim Meyerhoff

Joachim Meyerhoff ist ein nicht unbekannter Theaterschauspieler. Seine Kindheitserlebnisse verarbeitete er in einem 6-teiligen Theaterzyklus, der großen Anklang beim Publikum fand. Der erste Teil dieser Reihe „Alle Toten fliegen hoch“ erschien 2011 bei Kiepenheuer & Witsch. „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ist der zweite Teil und erschien 2013 in Buchform.

Vorab muss ich anmerken, dass ich den ersten Teil nicht gelesen habe, dies aber meiner Meinung nach auch nicht notwendig ist. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, etwas nicht zu verstehen oder Vorwissen zu benötigen.

In „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ erzählt Meyerhoff die Erlebnisse seiner frühen Kindheit sehr ausführlich und stärker zusammengefasst auch die Erinnerungen an seine Jugend und das junge Erwachsenenalter. Aufgewachsen als jüngster von drei Söhnen lebt er mit seinen Eltern auf dem Gelände der Psychiatrie „Hesterberg“ in Schleswig. Sein Vater ist der dortige Leiter und – wie Meyerhoff es beschreibt – ein wirklich ausgezeichneter Psychiater. Doch es wird schnell klar, dass seine Defizite im Umgang mit der Familie liegen, wobei der kleine Joachim das noch am wenigsten von allen Familienmitgliedern spürt.

Meyerhoff beschreibt in seinem Roman sowohl das Leben auf dem Klinikgelände – wobei er mit den Patienten vergleichsweise sehr wenig Kontakt hatte –  aber auch das „ganz normale“ Leben innerhalb der Familie. Dabei vermischen sich die Erzählungen einer ungewöhnlichen Kindheit, die unter dem Eindruck eines ganz anderen Verständnisses von „normal“ steht und die viele ungewöhnliche Ereignisse in sich birgt, und die Erzählungen ganz normaler Pubertäts- Erlebnisse, die jeder Junge so erlebt haben könnte, auch wenn er in einem anderen Umfeld aufgewachsen wäre.

Dadurch hat mir ein wenig der rote Faden im Buch gefehlt. Es war keine klare Struktur in den Erzählungen zu finden, mir war teilweise nicht klar, warum er einige Szenen mit in das Buch eingebunden hat, da sie mir fast belanglos erschienen und auf der anderen Seite die Erfahrungen mit den Patienten im zweiten Teil des Buches doch sehr kurz abgehandelt wurden. Dadurch wirkte der ganze Roman doch eher wie ein Kurzgeschichtenband mit Geschichten, die alle lose zusammenhingen – mal mehr, mal weniger.

Ich nehme an, dass es so gedacht war, dass in etwa der ersten Hälfte die Erlebnisse der Kindheit berichtet werden sollten und anschließend aufgezeigt werden sollte, was er aus diesen Erlebnissen gelernt hat und wie sie sein weiteres Leben beeinflussten, aber das kam für mich nicht wirklich rüber. Die zweite Hälfte konzentriert sich sehr auf die Familie und das war zwar toll zu lesen, hätte für mich aber auch der Inhalt eines anderen Buches sein können. Der Verlust des Bruders und schließlich des Vaters ist so gut erzählt, dass ich gerne mehr darüber gelesen hätte. Vor allem hätte die Aussöhnung mit dem Vater, die stattfinden musste, obwohl es zuvor gar keinen Streit, lediglich eine Belastung der Seele, gegeben hatte, einen größeren Raum einnehmen können. Ich hätte aber auch gerne mehr über den direkten Kontakt mit den Patienten gelesen. In dem Buch werden im Prinzip nur zwei „Spotlights“ auf zwei bestimmte Patienten geworfen, zu denen der junge Joachim („Josse“) Kontakt hatte, aber eben solche Erinnerungen hätte ich in der Breite des Buchs erwartet.

Die Perspektive des kleinen Jungen war auf jeden Fall gut gewählt. Der eigentlich sehr voyeuristische Blick auf die Patienten des Vater wurde so abgemildert und in dieser Perspektive wirkt auch der „political correctness“ entgegen und es darf durchaus auch Negatives über die Psychiatrieinsassen gesagt werden, was in dieser Form aus Erwachsenensicht vielleicht möglich gewesen wäre. Trotzdem werden die Erlebnisse recht distanziert beobachtet, was aber auch daher kommen kann, dass Josse eben alles als gar nicht weiter erwähnenswert und normal wahrnimmt.

Das Buch bleibt somit hinter meinen Erwartungen zurück – erfüllt aber mit der eigentlich recht traurigen, aber auch schönen Familiengeschichte andere, die ich gar nicht hatte. Ich spiele mit dem Gedanken, mir den ersten Teil vielleicht auch noch zu kaufen, um die Perspektive auf die Geschichte noch zu erweitern.

Auf jeden Fall ein interessantes Buch, das ich mir auf einer Theaterbühne auf Grund der fehlenden Struktur in der Handlung aber kaum vorstellen kann. Da das Buch ja aber auf dem Theaterstück basiert, muss es wohl irgendwie gehen und ich wäre sehr neugierig darauf, es irgendwann einmal inszeniert zu sehen.