Rezension

Überraschend tiefgründig und emotional

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat - Gavin Extence

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat
von Gavin Extence

Bewertet mit 4 Sternen

"Wenn ich heute auf das Jahr zurückblicke, dass ich in der Schachtel verbracht hatte, glaube ich, dass es diese Bücher waren, die mich daran hinderten, vor Selbstmitleid zu zerfließen. Sie gaben mir das Gefühl, dass mein Leben doch eigentlich nicht so schlimm war. Wenn ich diese Bücher las, war ich nicht länger in einer winzigen Welt eingesperrt." (S.91)

Alex Woods ist zehn Jahre alt, und er weiß, dass er nicht den konventionellsten Start ins Leben hatte. Er weiß auch, dass man sich mit einer hellseherisch begabten Mutter bei den Mitschülern nicht beliebt macht. Und Alex weiß, dass die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten können – er trägt Narben, die das beweisen. Was Alex noch nicht weiß, ist, dass er in dem übellaunigen und zurückgezogen lebenden Mr. Peterson einen ungleichen Freund finden wird. Einen Freund, der ihm sagt, dass man nur ein einziges Leben hat und dass man immer die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollte. Darum ist Alex, als er sieben Jahre später mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voller Asche an der Grenze in Dover gestoppt wird, einigermaßen sicher, dass er das Richtige getan hat …

Meine Meinung

  • Handlung / Verlauf der Geschichte

Schon beim Lesen des Klappentext merkt man das diese Geschichte etwas leicht Skurriles, aber auch Einzigartiges an sich hat. Und dieser Eindruck verstärkt sich auf den ersten Seiten nur noch mehr. Ohne große Einleitung wird man einfach sofort mitten ins Geschehen hineingeworfen und verfolgt mit wie Alex an der englischen Grenze von der Polizei geschnappt wird - zusammen mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voll Asche. Klar, dass er den Beamten da einiges zu erklären hat. Außerdem scheint es so, als ob er in der letzten Woche für ziemlich Ärger gesorgt hat. Was genau passiert ist, erfahren wir erst einmal nur bruchstückhaft, sodass man sich keinen wirklichen Reim auf die Sache machen kann. Meine Neugier wurde dadurch nur umso mehr geweckt und ich habe natürlich weiter gelesen.

Doch im nächsten Kapital beginnt Alex erst einmal damit dem Leser seine Geschichte von Anfang an zu erzählen. Das erste was ihm dabei einfällt, ist der Unfall den er als 10 Jähriger hatte und der dafür verantwortlich war, dass die ganze Welt plötzlich wusste, wer er ist. Mehr möchte ich zur Handlung gar nicht mehr sagen, da man dieses Buch einfach selbst lesen haben muss. Man muss sich ohne große Erwartungen in die Geschichte fallen und überraschen lassen. Nur so viel: Die Geschichte ist sehr facettenreich und steckt voller Emotionen. Außerdem wimmelt es nur so vor verwirrenden, seltsamen aber auch lustigen Momenten. Der Fokus liegt jedoch vor allem auf der Freundschaft die sich zwischen Alex und dem alten, etwas mürrischen Mr. Peterson entwickelt. Die beiden könnten wirklich kaum unterschiedlicher sein und doch entdecken sie mit der Zeit immer mehr Gemeinsamkeiten, die sie zusammenschweißt. Mr. Peterson nimmt für Alex so eine Art Vaterrolle ein und Alex holt den in sich gekehrten Mann zurück ins Leben.

Zum Ende nimmt die Story dann auf einmal eine völlig unerwartete, sehr ernste und berührende Wendung. Der Autor greift ein aktuelles und in unserer Gesellschaft bereits viel diskutiertes Thema auf, mit dem ich absolut nicht gerechnet hätte, für mich allerdings zum eigentlichen Highlight des ganzen Buchs wurde. Gavin Extence legt eine solche Tiefgründigkeit und Ehrlichkeit an den Tag, die einem das Ganze unfassbar nahe bringt und fast ununterbrochen zum Nachdenken anregt.

  • Schreibstil

Gavin Extence hat einen lockeren, humorvollen Schreibstil, der im Laufe des Buches jedoch an Ernsthaftigkeit und Tiefe zunimmt. Besonders gut gelungen sind ihm seine Charaktere, die einem im ersten Moment zwar ein wenig schrägt vorkommen, aber auch absolut liebenswert sind. Sie wirken zu keinem Zeitpunkt unglaubhaft, im Gegenteil, mir kamen sie so vor als könnten sie mir genau so auch im wahren Leben begegnen. Gut gefallen haben mir auch die philosophischen Ansätze, die einen mehr als einmal zum Nachdenken bringen.  

  • Charaktere

Alex ist ein ungewöhnlicher, sehr intelligenter Junge, der in seinem jungen Leben schon viel einstecken musste, dennoch seine Unbeschwertheit und Freude nicht verloren hat. Er trägt das Herz am rechten Fleck und lässt sich von nichts und niemanden unterkriegen. In bestimmten Situationen kam er mir unfassbar erwachsen für sein Alter vor, aber manchmal blitzt auch seine kindliche Naivität durch, die zeigt wie alt er wirklich ist. Besonders fasziniert hat mich allerdings seine Sichtweise auf die Welt und die Dinge, die sich darin abspielen. Ich mochte ihn richtig gerne und hätte ihn noch viel länger begleiten können.

Mr. Peterson gegenüber war ich anfangs etwas skeptisch, allerdings dauerte es nicht lange bis ich diesen alten, mürrischen und sehr eigenwilligen Mann in mein Herz geschlossen hatte. Es ist einfach toll wie er sich um Alex kümmert und sich seiner annimmt, dabei aber selbst aufblüht und neuen Lebensmut schöpft. Ihre Freundschaft ist etwas ganz besonderes und lässt sich kaum in Worten fassen.

Mein Fazit

„Das unerhörte Leben des Alex Woods“ von Gavin Extence ist eine Geschichte, die einem im ersten Moment vielleicht etwas skurril erscheint, im Laufe der Zeit allerdings eine tiefgründige und ernsthafte Wendung durchmacht und einem dabei sehr nahe geht. Aber auch schon davor ist die Handlung sehr facettenreich und voller gegensätzlicher Emotionen. Der Fokus liegt jedoch auf der Freundschaft die sich zwischen Alex und dem alten, etwas mürrischen Mr. Peterson entwickelt, denn die beiden könnten wirklich kaum unterschiedlicher sein. Und doch oder gerade deswegen verstehen sie sich so gut.