Rezension

Überraschend, verwirrend, beeindruckend

Kleine Feuer überall
von Celeste Ng

Bewertet mit 4 Sternen

„Kleine Feuer Überall“ lässt mich sprachlos und ratlos zurück. Das Buch hat mich manchmal umgehauen, dennoch wurde ich nicht schlau aus der Handlung. Einige Tage nachdem ich es beendet habe, denke ich immer noch darüber nach und frage mich, wie ich es für mich persönlich aber auch objektiv einordnen soll.

 

 

Celeste Ngs zweiter Roman handelt von einer Familie. Einer Familie, die meint, richtig zu handeln. Einer Familie, deren Leben perfekt scheint, bevor ihre makellose Fassade zu Bruch geht. Alles beginnt mit der jungen Izzy Richardson, die zuhause Feuer legt. Nur scheint es so, als würde die Geschichte damit beginnen. Denn tatsächlich begleitet man die Familie und überraschenderweise noch einen Haufen anderer Charaktere auf dem Weg zu diesem namensgebenden Feuer. Die „kleinen Feuer“ breiten sich nämlich nicht im Haus der Richardsons aus, sondern falten ihre Zerstörungskraft auf bildlicher Ebene in den Beziehungen der Menschen aus, was fatale Konsequenzen hat. Insgesamt gesehen hat mir ein roter Faden gefehlt, der mir signalisiert, wo die Geschichte hinführt. Einige Male hat sich die Geschichte in Plots verloren, die so verschieden von den vorherigen sind, dass der eindeutige Zusammenhang fehlt. Es fühlte sich dann eher wie eine Ergänzung, statt einer Fortführung der Handlung an.

 

 

Der Roman enthält ein verstecktes Netz an Charakterbeziehungen, die anfangs etwas verwirrend wirken können und sich nur indirekt offenbaren. Am Ende wird dem Leser das komplette Ausmaß ersichtlich, in welchem sich die Richardsons befinden. Je mehr Kapitel vergingen, desto mehr stellte sich mir die Frage, wer denn nun die eigentliche Hauptperson sei. Es waren nämlich nicht alle komplett gleichgestellt, da einige Personen Ereignisse verursachten, die die folgende Handlung maßgeblich beeinflusst haben. Ist es die jüngste Tochter der Richardsons, Izzy? Ist es die Mieterin der Richardsons Mia, die eine tragende Rolle spielt? Oder doch dessen Tochter Pearl? Da immer neue Schichten und Geheimnisse aufgedeckt wurden, kamen außerdem überraschende Charakterzüge zum Vorschein.

 

 

Ngs Schreibstil ist tadellos. Sie schaffte es mit wenig Worten viel zu erzählen und bei mir zu bewirken. Sie streut in eine Geschichte voller Ernsthaftigkeit und bitterem Realismus Stellen hinein, die herzzerreißend sind. Dabei schafft sie es unter anderem verschiedene Facetten der Rassendiskriminierung zum Vorschein zu bringen, die den Leser die heutige Zeit kritisch hinterfragen lassen und nachwirkend im Gedächtnis hängen bleiben.

 

 

Das Cover des Buches gefällt mir im Englischen viel besser. Meiner Meinung nach hat es da viel mehr Ausstrahlung und das fast undefinierbare gewisse Etwas, welches beruhigend auf mich wirkt, aber auch eine Dynamik verbreitet. Nichtsdestotrotz enthält auch das deutsche Cover eine klare Beziehung zur Handlung. Das Haus wirkt perfekt, die Umgebung makellos, der Himmel und die Wolken erwecken den Anschein eines perfekten Lebens. Genau so wenig wie die Charaktere im Buch weiß auch der Leser vorher nicht, dass sich in diesem Leben kleine Feuer verbergen, die sich aufsummieren und Hoffnungen und Zukünfte niederbrennen können.

 

 

„Kleine Feuer überall“ sei den Lesern empfohlen, die von einem Roman überrascht werden möchten, die mit wenig Erwartungen an ihn herangehen. Es ist eine Geschichte, die sich langsam an den Leser heranschleicht und dann plötzlich mit voller Kraft zu schlägt. Da Celeste Ng in den höchsten Tönen gelobt wird, habe ich ein Meisterwerk erwartet. Ich wurde nicht enttäuscht, aber hatte leider mehr erwartet. Trotzdem ist er ein Roman, der sich nachhaltig noch auf mich auswirkt und welchen ich nicht so schnell vergessen werden.