Rezension

Überraschende Nicht-Schnulze mit sprachlichen Feinheiten

Azorenhoch - Bettina Haskamp

Azorenhoch
von Bettina Haskamp

Bewertet mit 4 Sternen

Vorher

Rein oberflächlich wirkt das Cover frühlingshaft bunt und positiv. Helles, frisches Grün und gelbe Schrift und eine verschwommen gezeichnete Szene aus der Vogelperspektive betrachtet. Wie das Pärchen so auf der Bank sitzt, er einen Arm um ihre Schultern gelegt, der Koffer daneben und angestarrt von einem weißen Vögelchen, hat es eigentlich nichts besonderes. Die ganze Wirkung des Covers rührt von den gewählten Farben.

Dabei

Die Geschichte lässt sich ganz wunderbar lesen. Anders als in vielen übersetzten Büchern, in denen die Übersetzer zwar auch ganze Arbeit leisten, wird in original-deutschsprachigen Geschichten viel mehr transportiert. Allein die Freude an der Sprache, Worte in all ihren Bedeutungen zu verwenden lässt die Geschichte sehr viel intensiver wirken. Ein Autor leistet nochmal ganz andere Arbeit als ein Übersetzer (von der Entwicklung der Geschichte mal abgesehen).

Aber auch die Geschichte in “Azorenhoch” ist ziemlich originell. Helena (Lena) ist Trauerbegleiterin. Bei einem ihrer Aufträge lernt sie Marco kennen. Sein Vater ist gestorben und Lena hält die Trauerrede. Während Lenas Mutter der Überzeugung ist, mit ihrem Beruf würde sie nie einen Mann finden, stört es Marco scheinbar kein bisschen. Er bleibt hartnäckig und überredet sie mit viel Charme doch wenigstens mit ihm Essen zu gehen. Marco machte auf mich als Leserin erst gar keinen guten Eindruck – ich dachte noch: das wird eine von diesen Katastrophengeschichten, wo sie erst den falschen trifft und der richtige nach einer belanglosen Nebenrolle dann seinen Auftritt hat. Aber nein, über kurz oder lang gelingt es Marco, ihr Herz zu gewinnen und ab da geht die Geschichte erst richtig los. Marco kauft ein altes, verlassenes Dorf auf den Azoren, will dieses sanieren und eine Ferienanlage daraus machen.

Aber Marco und Lena sind nicht die einzigen, die in dieser Geschichte ihr Abenteuer erleben. Marco wohnt während der Baumaßnahmen bei seinem Vorarbeiter Paulo. Er und seine Frau Mariana, sind ein schon lange verheiratetes Paar, haben Kinder und sogar Enkel – das schützt aber nicht vor dummen Fehlern, wie Paulo lernen muss. Während also Marco und Lena versuchen eine junge Beziehung vor Alltagsschwierigkeiten und finanziellen Problemen zu schützen, müssen Paulo und Mariana gewisse Probleme überwinden und ihre Liebe wiederbeleben.

Ich muss zugeben, ich bin der Autorin voll auf den Leim gegangen. Man hat ja anfangs so seine Tendenzen, ob und wie einem ein Charakter gefällt, wie die Entwicklung ungefähr sein wird und was er für den Protagonisten bedeutet. Aber in dieser Geschichte gab es die eine oder andere Überraschung. Marco hat ja zu Beginn keinen guten Eindruck gemacht, weder auf den Leser noch auf Lena. Diese ändert ihre Meinung zwar bald, und er benimmt sich auch richtig sympathisch – aber ein Restzweifel bleibt. Aber mit diesem Finale hatte ich so gar nicht gerechnet.

Nachher

Ich muss zugeben, ich bin normalerweise der Typ, der die Geschichten um die Anbändele zweier Liebender bevorzugt, gerne auch ohne viel Extra. Aber “Azorenhoch” hat mir richtig gut gefallen – und das, obwohl es keine richtige Schnulze ist. Ganz im Gegenteil, es handelt sich um eine schöne Geschichte, die mit Tiefgang, Leichtigkeit, Witz und einer originellen Story überzeugen kann. Noch dazu diese sprachliche Finesse, das Tüpfelchen auf dem i!

Vielen Dank an vorablesen.de und an den Ullstein Verlagsimprint Marion von Schröder