Rezension

Überzeugte mich nicht durchgängig

Die Diplomatenallee -

Die Diplomatenallee
von Annette Wieners

Bewertet mit 3.5 Sternen

Heike Berger erlebt gemeinsam mit ihrem Bruder Johann eine lieblose und gewaltgeprägte Kindheit im Bonn der 50er Jahre.
Schon früh entdeckt sie durch Dr. Buttermann, einen Kunden ihres Vaters, ihre Leidenschaft für die Graphologie. Buttermann fördert die Leidenschaft der kleinen Heike, jedoch führte eben diese zu einem Drama in Heikes Elternhaus.
Gleichwohl beginnt sie später ein Graphologiestudium bei Dr. Buttermann und wird eine Graphologin von weltweit anerkanntem Ruf.
Erst als die Graphologie ein zweites Mal Auslöser für ein Drama in Heikes Leben ist, beendet diese ihre Karriere als Graphologin, heiratet, gründet eine Familie und führt gemeinsam mit ihrem Mann Peter den Schreibwarenladen ihres Vaters fort.
Dieses bürgerliche Leben endet jäh, als Dr. Buttermann erneut in ihr Leben tritt und Heike durch eine perfide eingefädelte Erpressung dazu bringt, ihre graphologischen Kenntnisse für die Stasi einzusetzen. Diese sucht für die zu errichtende ständige Vertretung in Bonn geeignetes Personal, und will die handgeschriebenen Lebensläufe graphologisch untersuchen lassen.
Die erzwungene Mitwirkung gefährdet Heikes Familie und sie gerät zwischen die Mühlen von Stasi und BND….

Die Diplomatenallee beschäftigt sich mit einem bislang eher unbekannten Kapitel der deutschen Geschichte, nämlich der Errichtung der ständigen Vertretung der DDR in der der neuen Hauptstadt der BRD.
Von Anfang an baut die Autorin geschickt spannende Handlungsstränge auf, die es dem Leser zunächst schwer machen, dass Buch aus der Hand zu legen. Zu gerne möchte man wissen, was genau in Heikes Kindheit geschehen ist, wer der zwielichtige Dr. Buttermann ist und welches Schicksal Heikes Bruder Johann ereilte.
Auch die nähere Beschreibung der Graphologie und ihres Einsatzes in den 60er und 70er Jahre ist sehr anschaulich beschrieben und vermittelt dem Leser viel neues Wissen.
Leider hält sich das hohe Eingangsniveau des Buches nicht durchgängig.
Insbesondere als Heike und ihre Familien nach und nach zwischen die Mühlen von Stasi und BND geraten waren mir manche Geschehnisse zu übertrieben und in der Menge einfach zu viel. Zumal auch die Beschreibung der Person Heikes nicht recht dazu passt, dass diese letztlich als Doppelagentin agiert. Und auch bei Peter, der sich selber als „Pippimädchen“ beschreibt und der auch sonst nicht wirklich als gefestigter Charakter rüberkommt, fällt es mir schwer, ihm einige Handlungen tatsächlich abzunehmen. Manchmal kam es mir eher vor, wie eine Persiflage auf diverse Agentenfilme.
Letztlich fanden auch nicht alle Handlungsstränge einen für mich befriedigenden Abschluss und einige Dinge, z.B. der Anruf von Günter Guilleaume waren für mich einfach nur unglaubwürdig.
Fazit:
Das Buch, das sich in Gänze sehr flüssig lesen lässt hat durchaus Stärken.
So gibt die Beschreibung von Bonn wirklich sehr gut den damals vorherrschenden Zeitgeist wieder und nimmt den Leser mit auf eine tolle Zeitreise.
Auch die Einblicke in die Graphologie waren sehr gut und informativ.
Leider halten die im ersten Teil angelegten Handlungsstränge zum Schluss nicht, was sie versprochen haben und vieles im zweiten Teil des Buches wirkt einfach nur konstruiert, teils überzogen und die Handlung passt oft nicht zur Persönlichkeit der Hauptprotagonisten.
Auch werden umfangreiche angelegte Handlungsstränge später nur noch in Nebensätzen abgehandelt.
Schade, denn Die Diplomatenallee hätte das Zeug zu einem durch und durch spannenden Buch gehabt.