Rezension

Überzogen

Das Herz kommt zuletzt - Margaret Atwood

Das Herz kommt zuletzt
von Margaret Atwood

Bewertet mit 2.5 Sternen

Charmaine und Stan haben ihr Haus und ihre Arbeit verloren und leben nun mit ihren letzten paar Habseligkeiten in einem Auto. Und damit geht es ihnen noch ziemlich gut. Die meisten Leute haben gar kein Dach über dem Kopf. Die Armut macht gewaltbereit, das Auto können sie kaum einmal verlassen und unbeaufsichtigt lassen schon gar nicht. Verständlich, dass Charmaine und Stan mit der Zeit an Zuversicht verlieren und den Verlockungen des Position Projekts gegenüber nur allzu offen sind. Verspricht es doch, Arbeit, Sicherheit und ein eigenes Heim. Und dafür muss man nur jeden zweiten Monat im Gefängnis verbringen.

Ja, die Geschichte war spannend konzipiert und bis zu einem gewissen Punkt bin ich Charmaine und Stan auch gerne gefolgt. Aber irgendwann im letzten Drittel hat mich der Roman verloren. Spätestens bei der operativ erzeugten Leidenschaft, den Elvisdoubles und dem Plüschbären war es vorbei. Lieber hätte ich mehr über die Verhältnisse in der Stadt erfahren, über die anderen Bewohner oder Charmaines Arbeit im Gefängnis.

Auch der Humor hat mich nicht gekriegt. Ich habe durchaus verstanden wann es witzig sein sollte aber es blieb mit zu lauwarm, um wirklich lustig zu sein. Überzogen, ja, aber irgendwie nicht richtig böse.

Dabei hat mir das Experiment an sich gut gefallen. Auch die Verwicklungen mit den Tauschpartnern im Projekt war interessant. Charmaine war eine tolle Hauptfigur in der weit mehr geschlummert hat, als man auf den ersten Blick sah. Leider gibt es so viele "Abers": Die Story war mir insgesamt zu konstruiert. Die Charaktere waren mir mit Ausnahme von Charmaine zu flach. Es war nicht ganz logisch. Im Rückblick ist es schlicht eine seltsam überzogene Thrillerversion mit zu viel Sex. Wirklich schade, aber das war für mich bisher mit Abstand der schlechteste Roman Atwoods.