Rezension

Überzogene Bauern-Persiflage?

Die Infantin trägt den Scheitel links - Helena Adler

Die Infantin trägt den Scheitel links
von Helena Adler

Bewertet mit 2.5 Sternen

Eine Familie von Milchbauern. Mehrere Generationen auf einem Hof. Ein hartes, arbeitsreiches Leben, fernab von liebevoll oder heimelig. Das jüngste Mitglied dieser Familie schildert hier in einem Mix aus Übertreibung, Phantasie und echtem Erlebnissen ihr Leben in diesem Umfeld. Ja, sie schleudert dem Leser ihre Gedanken regelrecht entgegen! Schildert beängstigendes, brutales, verwerfliches; malt ein Bild in grau und braun und schwarz bei dem letztlich niemand gut wegkommt.

Adler schreibt in einen atemlosen Ton; sehr bildhaft und mit sprachlichen Finessen, die beeindrucken können. Mir persönlich wurde dafür aber zu sehr auf asoziales Verhalten und Ekel gesetzt. Aber natürlich macht genau das auch den Reiz an der Lektüre aus.

Jedes Kapitel besteht aus einer bestimmten Episode aus der Kindheit der Infantin, grob chronologisch geordnet. Die Geschichte ist im Präsens und aus der Ich-Perspektive erzählt. Das hat bei mir leider für leichte Irritationen gesorgt: Wie kann das Bauernkind, dass kaum schreiben kann, in seiner Erzählung auf Max Ernst, diverse Gemälde oder Politiker anspielen?

Auch die teils widersprüchlichen Beschreibungen ihrer Familienmitglieder von krallenbewährten Alptraumgeschöpfen hin zur wichtigsten Bezugsperson fand ich nicht ganz rund. Aber natürlich ist die Erzählung sehr subjektiv und bei Kindern und Jugendlichen ist es vom Hassen zum Lieben ja kein allzu großer Schritt. Am Ende wurde es mir allerdings zu überzogen. Hier driftet Adler mit einigen Themen sehr in die Klischeekiste ab.

Definitiv werden sich je nach Lesegeschmack an diesem Roman die Geister scheiden: Man kann es als geistreiche Bauern-Persiflage mit innovativer Sprache lesen. Oder überzogen, wirr und nahezu inhaltslos finden. Beides ist legitim. Ich stehe etwas zwischen den Stühlen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. September 2020 um 11:07

Oh. Oh. Oh. ich streiche es aus dem Unmittelbaren und tue es ins Ungefähre.

Die Newcomer machen das leider oft. Dass sie auf Teufel komm raus innovativ sein wollen.

Meistens blenden sie die einen - aber mit den anderen verscherzen sie es sich.

Sehr interessante Rezension. Dankeschön.

katzenminze kommentierte am 04. September 2020 um 11:22

Gerne. Ich sagte ja, ich lese den Jung und Jung für dich. ;)

Eine LB Rezensentin schrieb noch: "Ein Roman, der klingt, als hätte ihn die Autorin mit dem Fleischklopfer auf die Seiten gehämmert, ohne dabei ein einziges Mal Luft zu holen." Und das trifft es einfach total!