Rezension

Umweltzerstörung, Arzneimitteltests und Aufbegehren

Unser kostbares Leben -

Unser kostbares Leben
von Katharina Fuchs

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine Kindheit in den 70er und 80er Jahren

In dem hessischen Ort Mainheim, der von der Schokoladenfabrik Cassada und der nahen Ruberus AG beherrscht wird, wachsen in den 70er und 80er Jahren die besten Freundinnen Caro, Tochter des Firmenchefs der Cassada und die Bürgermeister-Tochter Minka auf, die sich zunehmend für den Umweltschutz engagieren. Ergänzt wird das Duo durch die gleichalte Claire, die aus dem kriegsverwüsteten Vietnam nach Deutschland in ein Kinderheim kommt, wo an den Kindern Medikamententests durchgeführt werden....

Mit großen Erwartungen, da auch ich zur gleichen Zeit aufgewachsen bin wir die Hauptfiguren dieses Buches, habe ich dieses Buch begonnen und konnte zunächst nur schwer Zugang zu der erzählten Geschichte finden. Die Autorin Katharina Fuchs hat - neben ihren beiden angeprangerten Leitgedanken der "Umweltzerstörung" und der "Psychopharmakatests" - ein großes Aufgebot an Details aus dieser Zeit aufgefahren, die die Sätze manchmal etwas sperrig wirken ließen und die Handlung bremsten. Auf der anderen Seite boten die vielen Themen aber auch Anlass zu einer Fülle an Erinnerungen und mehr und mehr wurde ich in dieses außergewöhnliche Buch und unsere Deutsche Geschichte hineingezogen. Und ich bin sicher, dass Nachgeborene aus der Lektüre ein gutes Bild dieser Epoche erhalten können, ist doch die Nachlässigkeit, mit der Chemieabfälle in die Umwelt geblasen werden und giftiger Regen in dieser Form kaum noch vorstellbar. So ist es spannend, die Proteste gegen die Taunusautobahn, die Entstehung des Ersten Hüttendorfes und die Kinderschuhe der Partei "Die Grünen" nachzulesen und tief in die Welt und die Gedanken der damaligen Zeit einzutauchen. Insbesondere die geschilderten Arzneimittelstudien, die tatsächlich noch bis in die 70er Jahre vor allem an Heimkindern erlaubt waren und durchgeführt wurden (und nicht zuletzt gravierende Auswirkungen und Abhängigkeiten für die Menschen hatten), haben mich emotional aufgewühlt.

Die Figuren sind mehrdimensional beschrieben und ihre Handlungen bleiben authentisch und zeitgemäß, wenn auch nicht wirklich sympathisch. Leider fehlte mir hier an bisschen die Emotionalität und dass sich eine Beziehung zu den Figuren aufbaute, die mir allesamt seltsam fremd blieben.

Hinter den Beschreibungen der MIsstände und der Rebellion der Mädchen stand die Spannung in der Handlung etwas zurück; auch gibt es kein Happy-End und einige Fragen blieben für mich offen, insbesondere was den vietnamesischen Jungen Guy betrifft. Aber trotz allem bot Katharina Fuchs tiefgehende Unterhaltung und regte zum Erinnern und Nachdenken an.

Insgesamt vergebe ich mit einigen Abstrichen vier Sterne.