Rezension

Und dazwischen tobt das Leben

Auf Erden sind wir kurz grandios - Ocean Vuong

Auf Erden sind wir kurz grandios
von Ocean Vuong

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist die Mischung aus Schlichtem, fast schon Banalem, und intellektuell Hochtrabendem, was Ocean Vuongs Roman „Auf Erden sind wir kurz grandios“ ausmacht – und an manchen Stellen schwer erträglich macht. 

Hinführungen oder Überleitungen zwischen nüchterner Beschreibung und abstrakter Reflexion sucht man vergebens. Der Erzähler beobachtet einen Mann im Gebet, Stimme und Hände des Betenden werden beschrieben, und dann beobachtet der Erzähler plötzlich sich selbst: „Ich erglühte im Blut des Lichts.“

Dass in die Beschreibung eines intimsten Moments ein Zitat von Simone Weil über vollkommene Freude eingebettet ist, das dem Erzähler einfällt, gehört auch zu dem, womit man bei Ocean Vuong rechnen muss. Es gibt nichts, was nicht auf eine höhere Reflexionsstufe gestellt werden könnte.

Aber nicht nur, weil Bilder oft weiter ausgeweitet werden, ist das Buch nicht immer einfach zu lesen. Das Lesen wird auch nicht dadurch leichter, dass Schlaglichter erzählt werden und nicht der Versuch unternommen wird, eine Deutung im Sinne eines großen Narrativs herzustellen, wo biographische Elemente ins große Ganze eingefügt werden und so ihren Sinn erhalten.

Die Dinge sind wie sie sind, geschehen eben. Vuong beschreibt sie ungeschönt. Etwa die Schläge der Mutter, die Gewalt in der Familie. Die Schwierigkeiten der Mutter, die Kriegserlebnisse zu verarbeiten und sich nach der Flucht aus Vietnam in den USA zurechtzufinden. Die Drogenabhängigkeit seines Freundes Trevor. Der Tod von bereits sieben Freunden des Erzählers, der seinen Geburtstag deshalb nicht mehr feiert.

Als Form hat der Roman die eines Briefes. Ein Brief an die Mutter, der Ungesagtes zur Sprache bringen will. Ein Brief, der kein „Textkörper“ sein will, sondern die Körper im Text bewahren will. Ein Brief, von dem ganz und gar nicht klar ist, dass er überhaupt gelesen wird. Schließlich ist die Mutter Analphabetin.

So ist „Auf Erden sind wir kurz grandios“ ein postmoderner Roman, der ganz bewusst fragmentarisch angelegt ist. Dadurch entzieht er sich einer einlinigen, biographisch angelegten Lebensdeutung.  Zudem verlässt er immer wieder die Ebene der Beschreibung. Nicht nur dass hier mit Symbolen wie dem Monarchfalter, Büffeln, dem Kalb und Ähnlichem gearbeitet wird, zudem gibt es eine Fülle literarischer Anspielungen und intertextueller Verweise.  Und dazwischen tobt das Leben.