Rezension

Und jetzt lass uns tanzen

Und jetzt lass uns tanzen - Karine Lambert

Und jetzt lass uns tanzen
von Karine Lambert

Bewertet mit 5 Sternen

Das Leben hat der 78-jährigen Marguerite wenig zu bieten seit ihr Mann Henri gestorben ist. Aber die gemeinsamen fünfzig Jahre zuvor waren auch nicht gerade von Heiterkeit und Ausgelassenheit geprägt. Sie war die adrette Dame an der Seite des seriösen Notars, hat die gesellschaftlichen Erwartungen – und die des Gatten – voll erfüllt und bekam dafür die absolute Sicherheit in ihrem Leben. Nun ist Henri weg und vieles droht in einem Strudel zu versinken. Ihr Arzt empfiehlt eine Kur im Süden, widerstrebend beugt sie sich. Marcel trauert ebenfalls, kaum jünger als Marguerite hat er seine geliebte Nora verloren, die er schon seit Kindesbeinen an kannte und liebte. Welchen Sinn soll das Leben ohne sie haben? Seine Tochter ist besorgt um ihn, mehr und mehr droht er zu versauern, eine kurze Reise sollte ihm guttun. Und so treffen die beiden Neuverwitweten zufällig aufeinander und Amors Pfeil trifft sie – zur ihrer eigenen Verwunderung und zum Entsetzen ihrer Kinder. Darf man in diesem Alter noch einmal die Liebe erleben?

 

Karine Lambert erzählt eine Geschichte von der zweiten Liebe, die jedoch der ersten in nichts nachsteht: schlagende Herzen, Unsicherheit, sehnsüchtiges Warten auf einen Anruf. Dass Alter merkt man Marguerite und Marcel nicht an, die lassen einfach ihre Herzen entscheiden, denn immer wenn sich der Verstand einschaltet, geht es daneben. Sie sind nicht stürmisch, aber ungestüm; sie ist nicht animalisch, aber aphrodisierend und lockt Gefühle hervor, die sie schon gar nicht mehr kannten; sie beflügelt und lässt die beiden nochmals fliegen. In wunderbar leichtem Ton wird bezaubernd das Gefühl vermittelt, das sich in den beiden Protagonisten nach der ersten Begegnung breitmacht. Man ist kein Voyeur, sondern ein dezenter Beobachter, der diese romantischste aller Formen der Liebe miterleben darf.

 

„Und jetzt lass uns tanzen“ ist durchaus ein Wohlfühlroman. Man freut sich für die beiden Figuren, die liebevoll gezeichnet werden. Sie haben ihre Schwächen, die ihnen Tiefen und Persönlichkeit verleihen. Sie agieren stets innerhalb ihres persönlichen Rahmens, insbesondere Marguerite merkt man ihre lebenslange Gefangenschaft im goldenen Käfig an, wie schwer es ihr fällt, ihre Freiheiten zu nutzen und zu leben und einfach loszufliegen. Auch Marcel erscheint mir sehr differenziert, insbesondere in den Momenten, in denen er Zweifel hat, ob er nach Nora noch eine andere Frau lieben darf.

 

Karine Lambert findet die richtigen Worte, die zu diesem großartigen Roman passen und ein stimmiges Bild aus Geschichte und Erzählstimme schaffen. Trotz durchaus ernster Rahmenbedingungen - der Verlust des geliebten Partners, die Tücken des Alters, die gesellschaftlichen und familiären Erwartungen - ist eine leichtfüßige Liebesgeschichte entstanden, die natürlich nur in Paris stattfinden kann.