Rezension

Und so funktioniert ein Cliffhanger!

Drecksspiel - Martin Krist

Drecksspiel
von Martin Krist

 Die Sache mit dem dreckigen Spiel beherrscht Autor Martin Krist ganz gut. Und es muss ihm ein teuflisches Vergnügen bereiten. Anders kann ich mir den garstigen wie genialen Cliffhanger am Ende dieses Thrillers nicht erklären.

Und nicht nur mit den Lesern treibt der Autor seine Spielchen. Auch bei seinen Figuren hält Martin Krist die Fäden wie ein Marionettenspieler. Zieht er hier, fällt dort einer um. Absichtlich. In „Drecksspiel“ ist trotz vieler Verstrickungen alles genau koordiniert.

Es sind wieder die verschiedenen Handlungsstränge und deren rasche Wechsel, die der Geschichte ihren Schliff verleihen, dazu die Thematik, die den Thriller weg vom gängigen Gefüge aus „Kommissar jagt Killer“ holt und mehr in die Richtung organisierte Kriminalität bringt, Prostitution, Drogen, Entführung, Erpressung, Mord. Der Klappentext lenkt in diesem Falle kaum in die richtige Richtung, wer also wie ich beim Lesen von selbigem nur mäßige Spannung verspürt, sollte sich davon nicht abhalten lassen, da kommt mehr, viel mehr.

Da wäre zum Beispiel David Gross, ehemaliger Polizist und nun für einen Anwalt tätig. Er ermittelt in dem Fall einer entführten Tochter aus gutem Hause. Das geht in die Richtung Privatermittler, „Problemlöser“, wie es im Buch so schön heißt. Nicht ganz im Stil der Straßen-Cowboys, wie man es aus dem US-amerikanischen Hard-boiled kennt, aber auch nicht so weit davon entfernt. Eine Gratwanderung für die Figur, was die Legalität betrifft. Auch Miguel Dossantos, der „Pate von Berlin“, bewegt sich in diesem Zwielicht, versteht es aber zwischen Politik und Prominenz sein aalglattes Auftreten zu inszenieren. Sein Neffe Piedro muss das erst noch lernen. Der Kommissar Toni Risse, Morddezernat, scheint dagegen seinen Weg gefunden zu haben: Koks, Puff und Prügeleien. Und dann wären da noch die Besitzer einer Werbeagentur, Philip Nedel und Arthur Kuhn, die beiden haben einfach kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu. Während Arthur das Auto gestohlen wird, trifft es Philip weitaus schlimmer.

Zwischen diesen Geschichten springt die Handlung hin und her, schwenkt immer wieder von einer Szenerie zur nächsten, baut damit ein gutes Tempo auf und bringt eine stabile Spannung. Längen gibt es in „Drecksspiel“ nicht, das Buch treibt seinen Leser konstant an. Schon eine gut platzierte Einstiegsszene sorgt dafür, dass während der gesamten Story etwas mitschwingt, das wie ein Damoklesschwert über den Häuptern der Protagonisten schwebt, etwas, das die Hauptfigur David Gross noch nicht wissen kann, weil sie es erst noch erleben wird. Aber nicht mehr in diesem Buch, das ist auf Seite 394 zu Ende. Mitten in der größten Aufregung und doch am Ende einer Geschichte. Wer einmal erleben möchte, wie ein wirklich guter Cliffhanger funktioniert, kann das in „Drecksspiel“ nachlesen.

Und wer jetzt vielleicht denkt: „Ha, „Drecksspiel“ ist ja bereits 2013 erschienen, der Nachfolger „Engelsgleich“ ist auch seit Dezember 2014 erhältlich, Cliffhanger, pfff, ich kann ja direkt weiterlesen!“, der wird feststellen, dass die Handlung von „Engelsgleich“ fünf Jahre vor den Ereignissen von „Drecksspiel“ angesiedelt ist und somit keinerlei Auflösung in Bezug auf diesen schönen, fiesen Cliffhanger birgt. Da muss sich der Leser noch ein Weilchen gedulden. Ein echtes Drecksspiel.

Fazit: Ich mutiere zum Martin Krist-Fan.

Bewertung: 86,6 %
Stil: 4/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 4/5 | Plot-Entwicklung: 4/5
Tempo: 5/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 5/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4,33 Punkte

PS: Ich bin ja selten ruhig, bevor ich nicht auch etwas zum Meckern gefunden habe. Hier könnte ich anmerken, dass ich "Engelsgleich" ein klein wenig feiner konstruiert fand als "Drecksspiel", aber wer will schon kleinlich werden.

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