Rezension

Und wenn sie nicht gestorben sind...

Die Widerspenstige - Iny Lorentz

Die Widerspenstige
von Iny Lorentz

Ja, ich weiß: Das Autorenpaar, das unter dem Namen Iny Lorentz veröffentlicht, hat eine große Fangemeinde. Ihre dicken Wälzer werden verschlungen, und spätestens seit der Verfilmung der Bücher um die "Wanderhure" zählt das Publikum Millionen. Ich gehöre nicht zu den treuen Lesern, aber von Zeit zu Zeit greife auch ich zu einem dieser angeblichen historischen Romane. Warum? Weil ich mich jedes Mal köstlich amüsiere...

Die Darstellung der Charaktere entspricht einer schlichten Schwarz-Weiß-Zeichnung: Da gibt es die Guten - und die sind nicht nur moralisch integer, sondern selbstverständlich auch schön, klug, tapfer, tüchtig in allen Bereichen, treu, sexuell attraktiv und was man sonst noch an Eigenschaften erwünschen mag. Ganz besonders gilt dies immer für die Heldin: Eine Frau, die sich in einer frauenfeindlichen Gesellschaft behaupten muss und der das auch ohne Einschränkungen gelingt. Kleine Abweichung bestätigen das Schema eher: So kann die Heldin, auch hier mal wieder, die Qualitäten des Mannes, den sie dann letztendlich heiraten will, lange nicht anerkennen. In jedem Buch gibt es auch einen schwachen Charakter, der sich zum Besseren wendet, und einen Verräter, der zunächst gut erscheint, sich dann aber als verdorben herausstellt. Ein Leser, der das Strickmuster kennt, weiß schon beim ersten Auftritt, welchen Typus er vor sich hat - und er weiß auch genau, wer zuletzt wen heiraten wird, denn natürlich passt auf jeden Topf ein Deckelchen.

Auch die Handlung ist vorhersehbar. Die Heldin muss, hier gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder, fliehen und schlägt sich, als Mann verkleidet, nach Polen durch. Wie die Intrigen ausgehen, kann man sich denken, und tatsächlich bekommt jeder am Schluss das, was er verdient - wie im Märchen. Völlig unglaubwürdig retten die beiden wichtigsten Frauen den zwei Männern das Leben. Der Zufall ist ein Eichhörnchen und hüpft hier ständig durch das Bild. Eine Frau lebt jahrelang als Mann in einem Söldnerlager, und niemand erkennt es; das einzige Problemchen sind ein paar Stoffstreifen, die sie während der Menstruation braucht. Und die angeblichen Gründe, weshalb sie sich nicht als Frau zu erkennen geben kann, sind völlig an den Haaren herbeigezogen und werden immer fadenscheiniger.

Die Bücher von Iny Lorentz spielen alle in einer historischen Epoche; hier zurzeit der zweiten türkischen Belagerung Wiens 1683. Doch auf über 650 Seiten erfahren wir nicht gerade viel von dieser Epoche - jeder Wikipedia-Artikel ist weitaus informativer. Über das alltägliche Leben zur damaligen Zeit lesen wir auch kaum etwas; es reicht gerade beispielsweise für den Namen der Kopfbedeckung, die die polnischen Edelleute zu tragen pflegten. 

Und warum lese ich das Buch dann? Ich amüsiere mich immer wieder köstlich über die Machart der Bücher und die stilistischen Schnitzer. Es ist einfach herrlich erholsam, dass alles so vorhersehbar ist und dass das Gute selbstverständlich siegt. Ein Märchen für Erwachsene - und wenn die Helden und vor allem die Heldinnen nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 20. Dezember 2017 um 09:42

Eine schöne Rezi! Als die "Wanderhure" im TV kam, haben wir danach noch im Buch geblättert und uns über manchen Stellen köstlich amüsiert. Und wir haben die Thematik weitergedacht! Wann erscheint endlich als neuer Band der Reihe "Wanderhürchens Mondfahrt"?

wandagreen kommentierte am 20. Dezember 2017 um 09:48

Igitt, so was liest du ;-)). Und vergibst wieder keine Punkte. Wohl, weil du dich scheust, eine Einpunktewertung abzugeben. Ich mache das für dich:

EIN PUNKT.