Rezension

Undurchdringlich für mich

Die Fremde -

Die Fremde
von Claudia Durastanti

Bewertet mit 2 Sternen

In ihrem autofiktionalen Roman erzählt uns Claudia Durastanti von sich und ihrer Familie. Dreh- und Angelpunkt der Fremden sind die gehörlosen Eltern, doch die Geschichte beginnt schon viel früher mit den provinziell geprägten Großeltern, die in Teilen recht überfordert mit der körperlichen Einschränkung ihrer Kinder sind. So lernen die Eltern der Protagonistin lediglich ein eingeschränkt normales Familienleben kennen, aus dem folgerichtig die unstete Familiensituation der Protagonistin resultiert.

In einer recht sprunghaften Erzählweise versucht die Autorin die Ursache-Wirkungs-Ketten, die ihr Leben und Fühlen beeinflusst haben, den Leser*innen transparent zu machen. Wie lernt ein Kind das Sprechen, wenn die Eltern gehörlos und damit im Sprechen mindestens stark eingeschränkt sind? Was bedeutet es für so ein Kind, in ein Land mit anderer Sprache umzuziehen? Wie kann ein Kind Selbstbewusstsein entwickeln, wenn die Eltern, das was sie besonders macht, verstecken? Wie soll ein Kind Gefühle einordnen, wenn Eltern diese weder vorleben noch mit eigenen Worten erklären können? Daraus ergibt sich ein grundsätzlich interessanter Lesestoff, durch den ich als nicht Betroffene andere Lebenswirklichkeiten kennen lernen kann.

Zugegebenermaßen ist diese Autofiktion außergewöhnlich, weil für Außenstehende eigentlich unbegreiflich. Nachvollziehbar ist die Fixierung der Protagonistin auf Literatur, Film und Fernsehen, sowie Musik. Nur hier erfährt sie unverfälschte Sprache, je nach Genre auch sehr schöne Sprache. Da ihre Familie allerdings nicht nur sprachlich, sondern durch die zerrütteten Verhältnisse auch emotional eingeschränkt ist, fehlt der Protagonistin diesbezüglich Orientierung. Dahingehend eine Wahrheit medial auszumachen, finde ich extrem schwierig. So bleibt sie letztlich irgendwie verloren. Die im Klappentext angekündigten, euphorischen Geschichten einer wilden italoamerikanischen Familie in den Sechzigern bis ins gegenwärtige London konnte ich leider nicht erkennen. In meiner Wahrnehmung durchzog den Roman eine eher depressive Stimmung, versöhnlich wurde es erst zum Ende hin.

Die wechselhafte Art der Aufbereitung mit Gedankensprüngen zwischen diversen Zeitebenen, Erlebnissen, Personenkreisen und Orten machte es mir schwer, Freude beim Lesen zu empfinden. Ich konnte das dominierende Thema des Romans, fremd zu sein, spüren, hatte aber Mühe, mich zum Weiterlesen zu motivieren. Zudem war es zunehmend anstrengend, mich mit den gefühlt unendlichen Anspielungen auf Filme und Songtexte auseinanderzusetzen. Das war mir einfach zu viel, wirkte auf mich überladen.

Ich kann leider keine Leseempfehlung aussprechen.