Rezension

Unentschuldbar und hochnotpeinlich

Dracula - Die Wiederkehr - Dacre Stoker, Ian Holt

Dracula - Die Wiederkehr
von Dacre Stoker Ian Holt

Bei diesem "Werk" handelt es sich um die Fortsetzung um den berühmten Roman "Dracula" von Bram Stoker: Quincey, Sohn von Mina und Jonathan Harker, die einst mit ihren Verbündeten Jack Seward, Quincey Morris, Arthur Godalming und Abraham Van Helsing dazu beitrugen, den Vampir Dracula zu vernichten, gerät nun selber in eine erneute Vampir-Jagd: Dracula ist offenbar doch nicht vernichtet, nebenbei muss auch noch der "Blutgräfin" Elisabeth Báthory das Handwerk gelegt werden und - ach ja, Jack the Ripper hat auch noch seine Auftritte.

Ich habe das Buch zu lesen versucht, weil mich mehrere Dinge im Voraus von einer guten Qualität übereugten:

1. Dacre Stoker, der Ur-Großneffe Bram Stokers, ist der Verfasser. Da er sich traut, in die Fußstapfen seines Vorfahren zu treten, muss er also mit dessen Schreib- und Lebensweise vertraut und ziemlich gut sein: wer will schon, dass der Ur-Großonkel sich im Grabe umdreht? 

2. Es wurden Textfragmente aus Bram Stokers Nachlass verwendet. Toll, da hat er also die Absicht, ein unvollendetes Werk zu Ende zu bringen! 

3. Ian Holt, mit dessen Hilfe das Buch geschrieben wurde, wird als "Stoker-Forscher" betitelt. Kann da noch irgendetwas schiefgehen?

Leider kann alles schiefgehen, was schiefgehen kann, und der arme Bram Stoker hat sich mit Sicherheit nicht nur einmal erschaudernd und beschämt im Grabe umgedreht. Und ich habe mich beim Lesen auf der Couch umgedreht, quasi. Ich habe das Buch auch nicht zu Ende gelesen, zu beschämend fand ich, was da als "Fortsetzung dieses Klassikers der Horrorliteratur" zu lesen war. Allein im Prolog von Seite 5-9, also auf insgesamt 5 Seiten, befinden sich 8!!! Fehler. Und damit sind keine Rechtschreibfehler gemeint, sondern aus dem Original entnommene und verdreht wiedergegebene Tatsachen. Mina Harker beschreibt in einem Brief an ihren Sohn kurz und knapp, was ihr und ihren Freunden vor 25 Jahren wiederfahren ist; also eine Zusammenfassung des Romans. Ich möchte doch meinen, dass jedweder Autor, der ein Stück Literaturgeschichte - oder auch nur irgendein Buch - fortsetzt, sich mit dem Original bestens auskennt. Das ist hier aber nicht der Fall! Orte werden vertauscht, die Handlung in falscher Reihenfolge wiedergegeben, eigene Interpretationen hinzugefügt, die in "Dracula" so nie niedergeschrieben wurden. Und das nur im Prolog! Ich war so geschockt, dass ich nur widerwillig die nächsten Kapitel las, aber nach Kapitel 3 legte ich das fast 600-Seiten starke Buch endgültig zur Seite. Denn auch der Schreibstil ist unheimlich amateurhaft, Blut fließt in Strömen, aber ode jeden Schauer, außer dem, den einem die seltsame Figurenentwicklung und -beschreibung beschert: Jack Seward ist drogensüchtig und auf Vampirjagd unsäglich tollpatschig; Jonathan Harker, so wird von seinem Sohn angedeutet, ein tyrannisches Familienoberhaupt. Dracula "lebt" tatsächlich noch, ist jetzt aber Shakespeare-Darsteller, soso. Zu den anderen Figuren kann ich nichts sagen, möchte auch nicht herausfinden, wie sie von Dacre Stoker missbraucht wurden. In vielen weiteren Rezensionen habe ich gelesen, dass irgendwann auch Bram Stoker selbst einen Auftritt in der Handlung hat und Elisabeth Báthory die wahre Bösewichtin der Geschichte ist, während Dracula eher eine Nebenrolle spielt. 

Als jemand, der Dracula mehrere Male gelesen hat, bin ich schwer enttäuscht. Es ist schon ein starkes Stück, einen m.M.n. nahezu vollkommenen Klassiker wie "Dracula" so amateurhaft und lieblos fortzusetzen; noch entsetzlicher, dass der Autor ein Nachkomme des Schriftstellers ist. Die vielen Änderungen und Unachtsamkeiten sind die reinste Respektlosigkeit. Daher gibt es einen ganzen halben Stern für diesen Versuch, mit einem großen Namen irgendetwas zu erreichen und dabei planlos zu scheitern.