Rezension

Unerwartet anders und schön...

Die verborgenen Stimmen der Bücher - Bridget Collins

Die verborgenen Stimmen der Bücher
von Bridget Collins

Bewertet mit 5 Sternen

Bridget Collins hat mit "die verborgenen Stimmen der Bücher" einen ruhigen, dennoch sehr  emotionalen Roman um die Erinnerungen der Menschen, aber auch die damit verbundene Macht, die einige wenige, die Kenntnis über diese Erinnerungen "der Gebundenen" haben und zum Teil für ihre ganz eigenen Zwecke nutzen, erschaffen. 

Erinnerungen machen den Großteil unseres Lebens, der eigenen Vergangenheit/Zukunft und auch unserer Persönlichkeit aus, mancher nutzt sie, um mit seinem Leben weitermachen zu können, manchen Zeitgenossen haben sie gebrochen. Gerade auf emotionaler Ebene bewirken Erinnerungen vieles und lenken das Leben oftmals in neue Bahnen, die vielleicht nicht immer gewollt sind. Und genau dafür gibt es sie - die Buchbinder...! Von fast allen als Hexenwerk abgetan und verstanden, bindet diese besondere Gilde eines geächteten Handwerks, die erlebten und oftmals traumatischen Erlebnisse, in kunstvoll angelegte Bücher, die nicht für die Öffentlichkeit oder den Verkauf bestimmt sind, an.

Einer dieser angehenden Buchbinder ist Emmett Farmer, der als ältester Sohn eines bäuerlichen Paares in die Lehre bei der Einsiedlerin und Buchbinderin Seredith geht. Seine Eltern, die wie fast alle in dieser (nicht näher genannten) Zeit, Bücher strikt aus ihrem Leben verbannt haben, wollen ihren Sohn nach einer längeren Krankheitsphase, die ihn körperlich und emotional sehr geschwächt hat, quasi aus dem Haus haben. Emmett hat kaum Erinnerungen an seine Krankheit oder warum er überhaupt so krank geworden ist, umso weniger versteht er, weshalb er nun ausgerechnet Buchbinder werden soll. Überhaupt hat er kaum eine Ahnung, was diese Personen machen - nehmen sie den Menschen ihre Erinnerungen oder sogar schlimmeres? Seredith bringt dem schüchternen jungen Mann viel Verständnis entgegen, sie gibt ihm Zeit und Raum - vielleicht, um wieder zu sich selbst zu finden und es kommt Emmett fast so vor, als wenn Seredith wüsste, was genau seine Krankheit ausgelöst hat, aber woher kann sie das wissen? War sie doch nie mit seiner Familie oder seinem Umfeld bekannt. Dem jungen Lehrling entgeht nicht, dass viele Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten die Binderin aufsuchen und danach verändert wirken - was ist, wenn sie doch Hexenwerk vollbringt und er letztlich ihr Gehilfe ist? Als Seredith verstirbt, nimmt sich ein anderer Binder - de Havilland - dem Lehrling an. Emmett muss schmerzlich erkennen, dass er die Einsiedlerin völlig falsch eingeschätzt hat, als dann noch der junge Lucien Darney in sein und das Leben seiner Familie tritt, verändert das den Lauf des Schicksals auf dramatische Weise....

Eine Wertung dieses Buches fällt mir irgendwie gar nicht so leicht, weil es manchmal Bücher zu geben scheint, die nicht unbedingt "bewertet" werden wollen. Ich bin mit keiner genauen Vorstellung an dieses Buch heran gegangen, denn, über Bücher schreibt man doch nicht, man liest und liebt sie! ;-) Als Leser bekommt man eine ziemlich stille und teilweise sehr aufwühlende Geschichte, die verschiedene, teils ganz üble Themen anpackt, präsentiert. Sprachlich gefällt mir der Roman sehr gut, ich mag dieses "leicht angestaubte" und aus einer anderen Zeit kommende sehr, die Autorin erzählt und beschreibt manches sehr detailverliebt, was den Lesefluss in keiner Weise stört und die Geschichte einfach rund macht. Die verschiedenen Figuren der Handlung sind alle klasse dargestellt, ob nun sympathisch oder nicht - vorallem de Havilland und Luciens Vater sind einfach nur ...widerlich... Während man Emmett manches mal einfach nur in den Arm nehmen möchte, ist Lucien für mich wie ein zweischneidiges Schwert, dass ich bis zum Schluss nicht richtig einschätzen konnte. Dieser Roman kommt nicht wirklich als ein solcher daher, wirkt die Geschichte doch wie eine Mischung aus Fantasy und Liebesroman, die micht total positiv überrascht und sehr gepackt hat, wenn man offen für die Dinge ist, die da kommen. Die Gliederung der Geschichte in drei Teile wird aus verschiedenen Ich-Positionen erzählt und geben dem Ganzen einen zusätzlichen Kniff, lassen sie doch den Leser die jeweilige Gemütswelt des Erzählenden nachempfinden, im Guten wie im Bösen. Auch das Ambiente und die Umgebung(en) kommen klar und sehr bildlich rüber, das Kopfkino läuft, auch oder gerade wenn die Atmosphäre oftmals einen düsteren Touch hat, gefällt mir das erlebt-gelesene sehr! Für mich ist "die verborgenen Stimmen der Bücher" ein weiteres Lese-Highlight des Jahres 2019, dass ich sehr gerne weiterempfehle!