Rezension

Unerwartet tiefgründig - und toller Humor

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
von Jonas Jonasson

Bewertet mit 5 Sternen

Eigentlich hat Allan Karlsson allen Grund zum Feiern: Er wird 100 Jahre alt. Das Problem ist nur, dass er im Altersheim festsitzt, noch alle Fünfe beisammen hat und sein Körper sich bisher standhaft weigert, das Zeitliche zu segnen. Zu allem Überfluss hat sich auch noch der Bürgermeister samt Lokalpresse angekündigt.
Allan hat auf den ganzen Zirkus überhaupt keine Lust. So steigt er in seinen Pantoffeln kurzerhand aus dem Fenster und stellt bald ganz Schweden auf den Kopf...

... und wenn es nur Schweden wäre, wäre das nur halb so lustig ^^.

Dieses Buch lebte für mich davon, absolut skurille, absurde und auf ihre schräge Art gelassen schrullige Momente in eine vollkommen sachliche, fast ein bisschen naiv anmutende Sprache zu kleiden. Sachlich, klar, teilweise fast schon trocken formuliert - und gerade darum urkomisch. Ich weiß gar nicht, wie oft ich mich dabei erwischt habe, herzhaft gelacht zu haben - über eine Formulierung, die isoliert betrachtet eigentlich eine Allerweltsformulierung war. Aber in DEM Zusammenhang... Nur gelegentlich schlüpft ein bisschen Sarkasmus per erlebte Rede rein, wenn von Mao als "Dickerchen" die Rede ist, beispielsweise.
An dieser Stelle Hut ab vor dem Übersetzer: Ich kann zwar fast ein halbes Dutzend Sprachen, aber Schwedisch gehört leider nicht dazu und nichts ist schwerer gut zu übersetzen, als Humor und im Original (vermutlich) witzige Bücher werden eher schräg. Darum an dieser Stelle ein Extratörtchen des Lobes für Wibke Kuhn.

Schön fand ich auch die wirklich gelungenen Zeit- und Ortswechsel innerhalb der Erzählung - in hundert Jahren eines Lebens sammeln sich schließlich sehr viele Dinge an und die wollen auch irgendwo untergebracht werden. Natürlich immer genau dann, wenn sich eine Storyline so verwickelt, dass man als Leser keine Ahnung hat, wie die da alle wieder rauskommen sollen o.O

Ergo war es - anders als erwartet - kein reines Feel-Good-Buch. Nicht nur, weil es an vielen Stellen spannend und echt brenzlig war, sondern auch, weil da in einem Nebensatz, ganz ohne Drama, so viele schreckliche Dinge angerissen und gesellschaftskritische Fragen aufgeworfen wurden, dass ich ab und zu kurz pausierte und mir das erstmal durch den Kopf gehen ließ.

Bei gehypten Büchern bin ich ja doppelt skeptisch, aber hier war es eine tolle Lektüre.