Rezension

Unfassbar, emotional!!!

Mit Rosen bedacht - Jennifer Benkau

Mit Rosen bedacht
von Jennifer Benkau

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung:
In wiefern kennt man den Menschen, den man heiraten möchte wirklich? Kennt man einen Freund, eine Freundin, Geschwister, Mutter oder Vater wirklich? Kennt man sich selber? Alles Fragen, denen Wanda sich urplötzlich stellen muss. Ein Lernprozess, der Wunden aufreißt, Wunden verschließt. Ein Lernprozess, der jedoch für Wanda unumgänglich ist. 
Fragen, die sich auch die Leser nach Beenden dieses Romanes stellen werden.

—-Ich kann dich nicht mehr gehen lassen, hatte er in der Nacht unserer Verlobung zu mir gesagt, weil du der einzige Mensch auf der ganzen Welt bist, mit dem ich zusammen allein sein kann.—- (S.48)

Jennifer Benkau entführt uns in Wandas Welt. 
Eine fröhliche, aufgeschlossene junge Frau kurz vor der Hochzeit stehend - am Boden liegend. 
In zwei verschiedenen Handlungssträngen erleben wir hautnah mit, was Wanda widerfährt und wie sie versucht damit umzugehen. Einerseits befinden wir uns im Hier und Jetzt - also mehr oder weniger an Karims Krankenbett und bei Wandas verzweifelten Versuchen seine gesetzlich vorgeschriebenen „Angelegenheiten“ zu ordnen, wobei sie Dinge entdeckt, die sie nie für möglich gehalten hätte. 
Andererseits dürfen wir an Wandas und Karims schönsten Stunden teilhaben. Denen, als sie sich „kennen“ und lieben gelernt haben. 

Als perfekten Schachzug empfinde ich hier die umgekehrt gewählten Zeitformen. Das Hier und Jetzt erzählt Wanda als Ich-Erzählerin in der Vergangenheit, und die eigentliche Vergangenheit wird zur Gegenwart. Das hat zur Folge, dass man als Leser noch näher an Wandas Gefühle herankommt, sie besser versteht, ihr glaubt, mit ihr mitfiebert und sie einfach gern haben muss. 

Bemerkenswert auch, dass die Geschichte, in beiden Strängen, in fast identischem Tempo, an Fahrt aufnimmt, zusehends spannender und fesselnder wird. 
Am Anfang, als Wanda erfährt, dass Karim einen Unfall hatte wirkt sie ein wenig apathisch und eher ruhig - auch eher ruhig, finden die ersten Treffen von Wanda und Karim statt. In beiden Fällen ist alles ungewohnt, neu, fremd und man spürt deutlich die Unsicherheit.
Mit zunehmender Seitenzahl schleichen sich gleichermaßen Misstrauen, Hoffnungslosigkeit, Ungeheuerlichkeiten und  lautere  Töne ein, aber auch  ein noch tieferes Vertrauen. Ein Strudel an scheinbaren Unwirklichkeiten, die trotz aller Härte letztendlich sanft und ehrlich wirken.
 

—-„Hendrik hat recht“, sagte ich leise und blickte in meinen Tee. Der Dampf erstarb langsam wie versagender Atem.—-(S. 265)

Jennifer Benkaus Schreibstil ist einfach super schön und vielseitig. Was sie schreibt lässt sich flüssig lesen und geht unter die Haut. Sie schafft es oft, mit ein und demselben Wort gleichzeitig Geborgenheit, Hilflosigkeit, Wut und Liebe auszudrücken. Dazu legt sie jeweils eine Schippe Melancholie, Sarkasmus und Poesie, und schon ist eine rundum gelungene Geschichte geboren.
 

—-„Karim. Du musst, verdammt noch mal, jetzt aufwachen. …“Er musste gar nichts. Er besaß nicht einmal den Anstand, einen schnelleren Herzschlag zu bekommen. … —- (S. 242)

Fazit:
Eine erfrischend andere Geschichte. Eine Geschichte, die das Leben immer und überall, jederzeit, genau so schreiben könnte. Aber das Leben ist in dieser Hinsicht faul und sucht sich Schreiberlinge, die das machen. Eine beinahe gewöhnliche Geschichte von einer außergewöhnlichen Geschichtenerzählerin imposant zwischen zwei Buchseiten gebannt.
Meine persönliche Empfehlung an alle Geschichtenliebhaber, egal ob männlich, weiblich, jung oder alt.
Aufwühlend, emotional. Ein Buch, das einem lange im Gedächtnis bleiben wird.

Außerdem möchte ich noch auf das Hörbuch aufmerksam machen. Ich habe es mir angehört und war absolut begeistert. Nicole Engeln hat wunderbar gelesen und der Story mit ihrer Stimme gefühlsmäßig sogar noch ein bisschen mehr Tiefe verliehen.