Rezension

Ungeschönter, authentischer Blick in die 60er-Jahre in Amerika

Cassius X -

Cassius X
von Stuart Cosgrove

Bewertet mit 4.5 Sternen

Boxen hat mich irgendwie schon immer fasziniert – der Verdienst meines Großvaters, der mir beispielsweise immer wieder von den sportlichen Leistungen Muhammad Alis vorschwärmte. Darum hatte ich das Buch auch sofort einmal genauer in Augenschein genommen und ich fand es gerade sehr interessant zu sehen, wie Cassius Clay zu Muhammad Ali wurde, welche Einflüsse auf die Box-Legende mehr oder weniger einwirkten und natürlich wollte ich auch mehr wissen. Und ich muss sagen: Ich war sehr überrascht über den Facettenreichtum von Ali, der zwar oft eine dicke Lippe riskierte, ziemlich auf dicke Hose machte, aber eben auch irgendwie Poet und Musiker war. Zudem war er sehr charmant und wusste mit den Medien umzugehen.  Besonders interessierten mich auch die Verbindungen zu afroamerikanischen Musikern und Freiheitskämpfern. Die entstandenen Freundschaften und Verbindungen zum Beispiel zu Malcolm X fand ich sehr spannend und auch sein Weg zum Islam wurde richtig gut dargestellt. Dazu die Bemühungen um mehr Menschenrechte der Afroamerikaner und so vieles mehr.

 

Über das Boxen als solches mit Techniken und Co, erfährt man in dem Buch weniger, dafür doch einiges über die Hintergründe, wie Wettmanipulation durch die Mafia oder auch die Verhandlungen zu den Kämpfen etc. Das tut dem Buch aber keinen Abbruch, denn der Fokus liegt sehr auf den herrschenden sozialen Ungerechtigkeiten, sowie politischen und kulturellen Hintergründen. Diese Biografie ist mehr als ein Porträt eines Sportlers, sondern berichtet von Rassismus, Bürgerrechten, Black Power, NOI, einfach dem Zeitgeist der 60er Jahre. Weniger konnte ich persönlich mit der Soulmusik und ihren Entwicklungen anfangen, aber auch das war gut nachvollziehbar präsentiert. Sam Cooke war mir schon ein Begriff, aber eben nicht so sehr wie ein Muhammad Ali oder Malcolm X (und die Erwähnung von gefühlt 100 DJ´s habe ich nun auch nicht so ganz interessiert verfolgt). Es gibt aber auch viele Passagen, in denen keiner dieser drei eine tragende Rolle spielt, sondern die politischen Hintergründe oder irgendwelche Tragödien das Geschehen bestimmen und dennoch ist es immer spannend mehr zu erfahren. Man spürt einfach in jeder Zeile wie Recherchearbeit des Autors und sein Wissen um die Zusammenhänge und die wechselseitigen Wirkungen der geschilderten Geschehnisse.

 

Ein bisschen hatte ich etwas anderes erwartet, mehr Info zu Cassius X / Muhammad Ali – auch über die Anfänge hinaus, aber dennoch bin ich nicht enttäuscht. Inhaltlich hat mich das Buch sehr angesprochen und nachdenklich gestimmt, aber ich muss auch sagen, dass der Schreibstil flüssig, leicht verständlich und insgesamt überzeugend war. Es war sehr informativ und lebendig geschrieben und ich hatte auch einiges richtig heftig gefunden…Nicht selten musste ich ganz schön schlucken, genauso gab es aber auch unterhaltsame Elemente, die mich fast schon schmunzeln ließen. Die Bilder rundeten das Ganze gekonnt ab – unter dem Strich ist das Buch wirklich nicht nur Sportfans ans Herz zu legen, sondern allen, die sich für die Zeit, die kulturellen und politischen Entwicklungen der 60er in den USA interessieren. Wer einen ungeschönten, authentischen Blick in die Zeit werfen möchte, ist mit diesem Buch sicher gut beraten.