Rezension

Ungewöhnliche Geschichte

Fräulein Schröder - Susanne Fengler

Fräulein Schröder
von Susanne Fengler

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Die 30-jährige Miriam Schröder plant eine Universitätskarriere im Bereich Altertumswissenschaften. Nach fünf Jahren hat sie endlich ihre Doktorarbeit über die ptolemäische Königin Berenike und den Dritten Syrischen Krieg eingereicht. Als der Zweitgutachter, Professor Horw, ihre Arbeit überraschend ablehnt, ist Miriam geschockt und verzweifelt.

Doch Miriam gibt nicht auf und entscheidet sich kurzerhand für Plan B - eine Politikkarriere in Berlin. Im Wahlkampfteam der zukünftigen Kanzlerin ist sie nun für die Pressearbeit und den Wahlkampf verantwortlich. Hierbei helfen Miriam ihre Geschichtskenntnisse aus ptolemäischer Zeit ungemein. 

MEINUNG
Susanne Fenglers Roman wartet mit einer ungewöhnlichen, schon etwas märchenhaften Geschichte auf. Miriams Quereinstieg ins Politikbusiness nach der geplatzten Unitraumkarriere überrascht. Als gänzlich politisch unerfahrene und desinteressierte Person steigt ihr Ansehen im Wahlkampfteam unverhältnismäßig schnell. Zudem scheint sich ihr Antikewissen endlich auszuzahlen, denn Entwicklungen aus der einstigen Herrschaftszeit der Königin Berenike ereignen sich nun auch unter den Oberen des Politikbereichs. So wird Miriam unweigerlich zur Kassandra der Neuzeit. Ihre Visionen und ausgewählte Passagen aus den Schriften des Kallimachos von Kyrene, des einstigen Hofdichters der Königin Berenike, unterbrechen häufig den Fließtext; was den Altertumswissenschaftler nicht stört, im Gegenteil, auf den Laien hingegen abschreckend und verstörend wirken könnte. Ich fand Fenglers ständigen Perspektivwechsel aufgrund meiner Vorkenntnisse recht erfrischend und gut umgesetzt. Einzig die Anzahl der zitierten Passagen hätte ich beschränkt, weil dadurch die eigentliche Haupthandlung etwas ins Hintertreffen geriet. Mit Miriam als Hauptprotagonistin konnte ich mich gut anfreunden und fand ihr Auftreten sehr authentisch. Ihr Forscherdrang und ihr Enthusiasmus haben mir gefallen. Inhaltlich konnten mich die vielfältigen Einblicke in die Politikszene sowie in die Universitätswelt mitreißen. Hier wurden Abgründe wie gegenseitige Vorteilsnahme, Intrigen und Vetternwirtschaft sehr ausdifferenziert und kenntnisreich beschrieben. Für ihre Offenheit und den mitunter ironischen Blick auf diese Entwicklungen sei der Autorin gedankt. 

FAZIT
Kein Roman für zwischendurch, sondern für Leser, die gern zwischen den Zeilen lesen und dabei noch etwas lernen wollen. Eine gelungene Cross-over-Lektüre, die vor allem Studenten und Liebhaber der Altertumswissenschaften lesen sollten.