Rezension

Ungewöhnliche Romanze

Ein ganzes halbes Jahr. Geschenkausgabe - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr. Geschenkausgabe
von Jojo Moyes

Normalerweise wären sie sich nie begegnet: Will Traynor ist ein erfolgreicher Jungunternehmer, der Firmen abwickelt und dabei Millionengewinne einstreicht. Seine Freizeit verbringt er mit Abenteuerurlauben und Affären. Louisa Clark stammt aus einer chaotischen Arbeiterfamilie, und mit ihrem Job im Cafe trägt sie entscheidend zu den Familienfinanzen bei. Doch die Normalität zerbricht, als Will überfahren wird und gelähmt im Rollstuhl landet. Er hasst sein Leben als "Krüppel", in dem er ständig bemitleidet und bevormundet wird und von anderen Menschen abhängig ist. Als Louisa ihren Job verliert, wird sie seine Helferin. Nach Anfangsschwierigkeiten lernen die beiden sich besser kennen und schätzen. Will möchte Lou zeigen, dass es noch ein Leben außerhalb ihrer eingefahrenen Schienen gibt; Lou will Will zeigen, dass sein Leben trotz Behinderung noch lebenswert ist. Ein halbes Jahr verbringen sie miteinander und es entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung...

Dieses Buch schafft die Balance zwischen Emotionalität und Ernst; es hat romantische Züge, ohne in Kitsch abzugleiten. Die Themen Behinderung, Sinn des Lebens und Selbstmordgedanken werden ernst genommen und sehr unterschiedliche Sichtweisen kommen zum Zuge. Mir gefällt auch, dass die Charaktere nicht so eindimensional sind: Will ist charismatisch und mitreißend, aber er sagt selbst, dass er sich oft wie ein A... verhalten habe. Lou ist offen und humorvoll, hat aber aufgrund eines traumatischen Erlebnisses große Ängste; in Modefragen ist sie originell und kreativ, kann sich aber kaum auf neue Erfahrungen in Musik, Film oder moderner Kunst einlassen. Das ist lebensecht gezeichnet und überzeugt mich.

Besonders identifiziert habe ich mich mit den beiden so gegensätzlichen Müttern, in deren Alter ich mich befinde. Auch wenn die Kinder erwachsen sind, bleibt die Sorge bestehen, und oft ist es schwierig, sich angemessen zu verhalten. Wills Mutter wirkt so steif und distanziert, doch man spürt deutlich ihre Verzweiflung, als ihre Welt in Scherben bricht; Lous Mutter steht fest auf dem Boden und hat klare Ansichten - werden diese aber nicht akzeptiert, gerät auch ihre Welt ins Wanken. 

Ansprechend ist natürlich auch die ungewöhnliche Liebesgeschichte. Hier können beim Lesen schon mal Tränen in die Augen treten!