Rezension

Ungewöhnlicher historischer Kriminalroman

Die Spur der Stachelbeeren - Ulrike Ladnar

Die Spur der Stachelbeeren
von Ulrike Ladnar

Bewertet mit 4 Sternen

„Ungewöhnlich“ ist bei diesem Roman Programm...

Die junge Deutsch-Engländerin Lynn lebt zur Zeit des 1. Weltkriegs im württembergischen Ludwigsburg und muss nach dem Tod der Mutter Haus und Familie versorgen, statt, wie ihr älterer Bruder, ein Studium zu beginnen. Während dieser eingezogen wird und der kleine Bruder "Soldat spielt", versorgt Lynn außerdem die Kriegsverletzten...und verschwindet plötzlich, was nur ein Teil des Kriminalromans ist, der gleichzeitig auch historischer Roman, Frauenroman oder Antikriegsroman sein könnte, enthält er doch unglaubliche viele Facetten und Details. (Das Buch wurde mir empfohlen, ich war nicht bei der Leserunde dabei.) 

Die Geschichte ist ein erstaunlicher Zusammensatz von Fragmenten, Erzählungen, Ich-Perspektiven, Zeitungsartikeln und Tagebüchern, immer wieder gibt es kleine Randbemerkungen, wie auch mal ein "Kriegsrezept". Die Stachelbeeren spielen durch das ganze Buch hindurch eine geheimnissvolle Rolle. Das ist wirklich außergewöhnlich und macht es spannend, und auch philosophisch, was die Gedanken über den Krieg angeht. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack - mir hat es gut gefallen, man merkt quasi die "Liebe" mit der dieses Buch geschrieben wurde, wirklich wie ein "Familiengericht". Auch ganz bezeichnend für den Aufbau der Geschichte, dass die genannten Rezepte und die Figur der schwäbischen Hausmagd in diesem -an sich ja ernsten, sorgenvollen Buch, wenn man die Zeit und auch die erzählten Geschehnisse bedenkt- immer wieder für Auflockerung, Humor und gar Rührung sorgen, auch das ist einfach außergewöhnlich. 

Mich hat beeindruckt, wie die Autorin verschiedene Handlungsstränge mühelos "handelt", und wie sie die Geschichte mit diversen Zutaten (Gedichtzitate, Zeitungsschnipsel etc.) ausschmückt. Die Charaktere sind gut gezeichnet, so dass man sofort eine Vorstellung hat und angenehm mit den Protagonisten mitfühlen kann. Auch an überraschenden Wendungen fehlt es nicht. 

Trotzdem habe ich mich entschlossen einen Stern abzuziehen, weil es, wenn ich ganz ehrlich bin, mich ein paarmal doch im Lesefluss gestört hat, dass jetzt wieder etwas anderes kommt, das man auch nicht immer sofort durchschaut. Obwohl es gleichzeitig durchaus das ist, was die Spannung hochhält. Es geht also wirklich um Kleinigkeiten. Wie auch, dass mir die Hauptprotagonistin mitunter doch etwas zu abgeklärt agiert...oder am Ende, das Thema der Männer: ein schönes Ende, Gottseidank, aber in dieser Zeit für mich nicht ganz vorstellbar, was die beiden jungen Herren angeht. Und: ein klassischer historischer Krimi ist es für mich nicht, da könnten aufgrund der Inhaltsangabe vllt. falsche Erwartungen geweckt werden. Es ist eher "etwas von allem". 

Fazit: Wer sich auf eine ungewöhnliche Struktur einlassen kann, bekommt ein garantiert interessantes Leseerlebnis, das einen wunderbaren Einblick in das Alltagsleben im Würrtembergischen und in die Zeit um den 1. Weltkrieg gibt. Aus klar "fraulicher" Perspektive. Dicke vier Sterne.