Rezension

Ungewöhnlicher historischer Roman

Die letzte Tochter von Versailles -

Die letzte Tochter von Versailles
von Eva Stachniak

Bewertet mit 3.5 Sternen

„...Ich müsste in den Dienst gehen, sagte sie. Es sei nicht das, was mein verstorbener Vater und sie sich einst für mich erhofft hätten, aber es müsse sein...“

 

Noch ahnt die 13jährige Véronique nicht, dass ihre Mutter sie regelrecht verkauft hat. Wir schreiben das Jahr 1755, als die Geschichte beginnt.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Trotzdem konnte mich die Geschichte nicht die ganze Zeit fesseln. Stellenweise fehlte mir eine gewisse innere Spannung, da vor allem in der ersten Hälfte zu offensichtlich war, was passiert.

Eigentlich gliedert sich der Roman in zwei Teile. Im ersten wird das Leben von Véronique erzählt, im zweiten das ihrer Tochter.

Gerade im ersten Teil bedient sich die Autorin eines ungewöhnlichen Schriftstils. Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven deutlich. Der Blick auf das Königshaus und dessen Protagonisten ist ehr sachlich. In kursiver Schrift berichtet Véronique, wie sie diese Zeit erlebt.

Hintergrund ist das Bedürfnis des französischen Königs, junge Mädchen in sein Bett zu holen. Marquise de Pompadour hat sich zwar aus dem Schlafzimmer des Königs zurückgezogen, hält aber immer noch die Fäden in der Hand.

 

„...Die Marquise de Pompadour behält ihre Rivalinnen immer im Auge, ganz gleich, wie unbedeutend sie erscheinen mögen. Sie weiß, dass die Welt nicht von denen regiert wird, die Vertrauen haben, sondern von denen, die Ärger voraussehen...“

 

In Véroniques Zeilen wird deutlich, wie die Mädchen im Hirschpark ausgebildet werden. Ihnen wird eine Scheinwelt vorgegaukelt. Wer wirklich auf sie wartet, bleibt ein streng gehütete Geheimnis. Véronique erlebt nicht nur die Rivalität unter den Mädchen, sie muss auch mit ansehen, wie manche recht schnell das Haus wieder verlässt.

Bei der Beschreibung der königlichen Familie wird die ganze Dekadenz des Adels deutlich. Die einzige, die darunter zu leiden scheint, ist seine Frau Marie, die aus polnischen Adel stammt.

Eines beherrscht die Autorin sehr gut. Das ist der Umgang mit treffenden Sprachbildern.

 

„...Panik, weiß Lebel, ist wie eine Flutwelle, die jeden Widerstand zermalmt. Louis stellt sich bereits vor, wie jenes Gift durch die Adern strömt...“

 

Der zweite Teil beginnt 1762. Hier wirkt der Schriftstil lebendig und voller Emotionen. Marie – Louise, Véoniques Tochter, wächst erst bei einer Amme auf und wird dann einem Ehepaar in Versailles anvertraut. Sie ist ein Kind mit Phantasie. Für das Ehepaar zählt das Geld und der Posten, die ihnen die Aufnahme des Kindes einbringt. Liebe ist ein Fremdwort. Marie – Louise hofft, dass sie eines Tages von ihrer Mutter geholt wird.

Als es ernsthafte Probleme mit dem Ehepaar Gourlon gibt, wird Marie – Louise von der Hebamme Margot aufgenommen. Sie nennt sie Tante.Hier fühlt sie sich wohl. Margot bildet sie in ihrem Beruf aus. Die Aufgabe füllt die junge Dame aus.

Nun werde ich mit dem harten Leben in Paris abseits de königlichen Residenz konfrontiert. Die Zeit ist schwierig. Das Volk hungert. Margots Arbeit sichert ihr zwar ein gutes Auskommen, aber bei den Krankenbesuchen werden sie häufig mit Not und Elend konfrontiert. Sehr detailliert wird die Arbeit einer Hebamme beschrieben. Auch die Grenzen werden nicht verschwiegen.

Marie – Louise heiratet den Anwalt Pierre. Der stellt sich auf die Seite der Revolution. Plötzlich wird er verleumdet. Er soll Geld aus Versailles erhalten haben. Davon weiß er nichts. Die Summe entspricht allerdings exakt der Mitgift von Marie – Louise. Nach Margots Tod nimmt sie sich deren Papiere an. Dabei stößt sie auf eine Spur ihrer Mutter.

Interessant finde ich die Darlegung zur Revolution, ihren Widersprüchen und Auswüchsen. So äußert Danton:

 

„...Er hat gelernt, nicht über die Zukunft zu spekulieren. Wenn man das Feld der Republik bestellt, darf man die Kosten der Aussaat nicht rechnen. Die Revolution frisst ihre Kinder...“

 

Das Buch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn vor allem im ersten Teil an manchen stellen weniger mehr gewesen wäre. Die beiden Frauenschicksale, eingebunden in die gesellschaftlichen Verhältnisse, geben ein gutes Bild des Lebens der damaligen Zeit.