Rezension

Ungewöhnlicher Thriller mit einer außergewöhnlichen Protagonistin, aber leider nur mäßig spannend

Totenfrau - Bernhard Aichner

Totenfrau
von Bernhard Aichner

Bewertet mit 2.5 Sternen

Liest man die Rezensionen zu diesem Buch, ist man zunächst etwas irritiert, denn kaum ein anderes Buch wird so kontrovers diskutiert wie Bernhard Aichners Totenfrau. Zum einen wird es enthusiastisch gelobt, zum anderen aber auch erbarmungslos verrissen. Mich spornen solche umstrittenen Bücher immer ganz besonders zum Lesen an, denn ich bilde mir recht gerne eine eigene Meinung. Man kann dieses Buch offenbar entweder nur hassen oder lieben, aber mir fiel es sehr schwer, zu einem solch pauschalen Gesamturteil zu kommen.
Der Schreibstil des Autors ist sehr gewöhnungsbedürftig. Aichners kurze, stakkatoartigen Sätze machen das Lesen mitunter recht anstrengend, denn sie hämmern sich geradezu in das Gehirn des Lesers. Als besonders nervend empfand ich vor allem die Aneinanderreihung von Hauptsätzen und die Häufung von Einwort- und Zweiwortsätzen, wie:

Für Mark. Für Dunja. Sie fragt nicht nach ihm. Dunja. Kein Wort.

Eine solch minimalistische Sprache muss man mögen – ich mag sie leider nicht besonders. Dennoch muss ich zugeben, dass dieser Schreibstil der Thematik und der Hauptprotagonistin des Buches durchaus angemessen ist, denn ebenso gnadenlos, wie sich Blum auf ihrem Rachefeldzug durch das Buch mordet, so gnadenlos wird der Leser eben durch diesen Sprachstil durch die Seiten getrieben. Diese schnörkellose, präzise Sprache lässt keine Möglichkeit zum Durchatmen, aber dafür umso mehr Platz für eigene Gedanken, Gefühle und Bilder im Kopf des Lesers. Gerade weil auf Details und ausschmückende Adjektive verzichtet wird, waren die Bilder, die ich beim Lesen vor Augen hatte, und die Empfindungen, die das Buch bei mir auslösten, umso eindrücklicher, beklemmender und grausamer. Ich sah nicht nur das erbarmungslose und blutige Gemetzel, mit dem Blum jedem ihrer Opfer seinen eigenen Tod beschert, genau vor mir, sondern spürte gleichzeitig auch ihre tiefe Trauer und Verzweiflung. Und genau das ist das Verstörende und Fesselnde an diesem Buch, denn ich fühlte mich ständig hin – und hergerissen, da ich diese brutale Mörderin einerseits verabscheuungswürdig und abstoßend fand, sie andererseits aber auch mochte, ihre Beweggründe nachvollziehen konnte und Mitleid mit ihr hatte. Das war für mich zuweilen sehr irritierend, denn unwillkürlich stellt man sich dabei die Frage, ob und unter welchen Umständen Selbstjustiz gerechtfertigt ist und was man selbst tun würde, wenn einem das Liebste genommen wird. Aichner gelingt es, den Leser auf die Seite der von Rachegedanken besessenen Blum zu ziehen und ihr Verhalten gut zu heißen, was etwas befremdlich ist.
Im Grunde lebt das ganze Buch nahezu ausschließlich von der außergewöhnlichen Hauptprotagonistin, denn sieht man von dem ungewöhnlichen Schreibstil ab, hat dieses Buch sonst recht wenig zu bieten. Blums Rachemotive sind für einen Thriller recht unspektakulär und wahrlich nichts Neues. Mühelos und mithilfe vollkommen realitätsferner Zufälle findet sie schnell die Täter, die für den Tod ihres Mannes verantwortlich sind. Spannend ist das nun nicht, wenn sich ihr diese quasi wie auf dem Silbertablett präsentieren und sich ohne großen Aufwand ausfindig machen und beseitigen lassen. Auch die einzig überraschende Wendung kündigt sich erfahrenen Krimi- und Thrillerlesern schon recht früh an und war, zumindest für mich, ziemlich vorhersehbar.
Nein, spannend ist Aichners Totenfrau nun wirklich nicht. Dennoch fand ich das Buch durchaus lesenswert, denn es ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich, provokativ und bizarr. Für zartbesaitete Gemüter ist es jedoch nicht geeignet.